Amt:                     Beteiligungsmanagement          

 

 

An:                        Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Gesellschafteraufgaben

                               Ausschuss für Finanzen und Vergabe

                              

 

 

Betreff: Förderung von Balkonkraftwerken

 

 

Entsprechend dem Bürgerschaftsbeschluss 2022-VII-05-0873 wurde „der Oberbürgermeister beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten der Förderung von sogenannten Balkonkraftwerken (BKW) in der Hansestadt Stralsund möglich sind. Hierbei sollen die städtischen Unternehmen (SWS/SWG) mitwirken. Eine derartige Förderung, unbürokratisch und einfach, gibt es bereits in mehreren Städten im Bundesgebiet, sodass hier von den Erfahrungen anderer Kommunen partizipiert werden kann. Die Ergebnisse sind den entsprechenden Ausschüssen bis Ende 2022 vorzulegen.“

(Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Gesellschafteraufgaben sowie Ausschuss für Finanzen und Vergabe)

 

Am 21.07.2022 fand zum Thema ein gemeinsamer Termin mit der SWG mbH, Herrn Lastovka, der SWS Energie GmbH, Herrn Bernhardt, dem Klimaschutzbeauftragten der Hansestadt Stralsund und dem Beteiligungsmanagement statt.

Dem vorangegangen erfolgte eine umfassende Recherche zu Möglichkeiten einer Förderung auf Bundes- bzw. Landesebene und zum Umgang anderer Gemeinden mit dieser Thematik. Aktuelle politische Entscheidungen, wie beim Klimagipfel in Rostock vom 22.08.2022 wurden in diesen schriftlichen Ausführungen berücksichtigt.

Ebenfalls wurden Erkundigungen aus baurechtlicher Sicht im hiesigen Amt für Planung und Denkmalpflege eingeholt.

 

Eine Mini-PV-Anlage kann vom Nutzer selbst angebracht und angeschlossen werden und erbringt eine maximale Leistung von bis zu 600 kWh/Jahr. Entscheidend hierfür ist eine sonnenexponierte Ausrichtung der Solarfelder. Balkonkraftwerke bestehen aus einem oder zwei Solarmodulen, die an einen Wechselrichter angeschlossen sind. Dieser wandelt den Gleichstrom der Module in haushaltsüblichen Wechselstrom um, welcher direkt in den Endstromkreis der Wohnung eingespeist wird. Die Haushaltsgeräte nutzen automatisch immer zuerst den Solarstrom und ergänzen erst dann mit Netzstrom.

Es gib je nach Zählertyp, verschiedene Möglichkeiten, was mit dem Strom passiert, wenn das Solargerät mehr Strom erzeugt, als zeitgleich verbraucht wird.

  1. Zähler ohne Rücklaufsperre: Der Zähler läuft rückwärts, sofern die überschüssige Leistung die Anlaufschwelle des Zählers überschreitet. Der Betrieb eines Balkonkraftwerkes ist mit einem Zähler ohne Rücklaufsperre nicht zulässig.
  2. Zähler mit Rücklaufsperre: Der Zähler bleibt stehen, es erfolgt keine Rückspeisung ins öffentliche Netz und damit auch keine Vergütung des eingespeisten Stroms.
  3. Zwei-Richtungszähler: Diese Zähler zählen den Strombezug und den eingespeisten Überschussstrom separat.

 

Um die Mini-PV-Anlage in Betrieb zu nehmen gibt es verschiedene Möglichkeiten des Anschlusses. Die haushaltsübliche Variante ist der Schuko-Stecker, hiermit kann die Anlage in die Steckdose eingesteckt und sofort genutzt werden (Plug and Play Installation). Die Gefahr besteht, dass mehrere Erzeugeranlagen über einen Mehrfachstecker verwendet werden und es durch Überlastung zu einem Brand führen kann. Diese Problematik besteht beim Einsatz des Wielandsteckers nicht, da der Stecker auf den Betrieb der Mini-Solaranlage ausgerichtet ist und durch eine Elektrofachkraft montiert werden muss, wodurch jedoch zusätzliche Kosten verursacht werden.

 

Im vereinfachten Meldeverfahren müssen diese Erzeugeranlagen beim Netzbetreiber und Marktstammdatenregister angemeldet werden.

 

Die Befestigung der Solarfelder muss den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen und unterscheidet sich je nachdem, ob sie flach, aufgeständert oder senkrecht angebracht werden sollen. Welche Montageart für das Gerät zulässig ist gibt der Hersteller vor, in jedem Fall ist eine wettersichere / sturmsichere Anbringung zwingend notwendig.

 

Die Beschaffung dieser Anlagen kann ab ca. 600 Euro bis ca. 1.600 Euro über Onlinehändler oder Elektronikmärkte erfolgen. Nach ca. 5 Jahren könnte so eine Anlage (auch ohne Förderung) bereits refinanziert sein, eine Investition mit hoher Rendite, deshalb ist es fraglich, ob hier eine Förderung überhaupt für notwendig erachtet werden muss.

Durch das Landwirtschaftsministerium M-V wurde nachfolgende Rechnung vorgenommen:

 

 

Vorteile eines Balkonkraftwerkes sind der geringe Aufwand bei Planung, Installation und Anmeldung im Vergleich zu großen PV-Anlagen. Die Anschaffungskosten sind gering und es gibt keine Folgekosten nach der Installation. Die Anlagen sind wartungsfrei bis auf die Reinigung. Auf Solarzellen erhält man eine Garantie von 20-30 Jahren, auf den Wechselrichter 10 Jahre. Hinzu kommt, dass der Nutzer seinen eigenen Ökostrom (klimaneutrale Sonnenenergie) produziert und unabhängiger vom Energieversorger ist. Als Manko könnte angeführt werden, dass es nicht erlaubt ist mehr als 600 kWh Strom im Jahr zu produzieren und es für den zu viel erzeugten Strom keine Einspeisevergütung gibt, hier gilt es, den Eigenverbrauch zu optimieren.

 

Prinzipiell können die Mini-Solaranlagen überall angebracht/aufgebaut werden und sind im Sinne des § 61 (3) Landesbauordnung M-V verfahrensfrei. Jedoch muss im Stralsunder Altstadtbereich, bis auf Weiteres im Bürgermeisterviertel und auf der Hafeninsel mit Einschränkungen und Ausschlüssen für die Installation gerechnet werden, sofern diese Anlagen an Einzeldenkmalen oder Denkmalbereichen angebracht werden sollen oder aus dem öffentlichen Raum einsehbar sind. Jeder Einzelfall ist nach Denkmalschutzgesetz M-V und Stralsunder Gestaltungssatzung zu prüfen. Außerhalb des Altstadtgebietes müssen die Anlagen den städtebaulichen Erfordernissen gemäß § 34 Baugesetzbuch und den Gestaltungsgrundsätzen gemäß § 9 der Landesbauordnung M-V entsprechen, ggfs. sind auch B-Pläne zu beachten.

 

Um in Mietwohnungen Solarmodule an der Balkonbrüstung oder Hauswand anzubringen, müssen Vermieter um Zustimmung angefragt werden, da die Installation einer Mini-PV-Anlage eine bauliche Veränderung bzw. Veränderung der äußerlichen Erscheinung darstellt. Grundsätzlich könne eine Zustimmung aber nicht versagt werden, sofern Gefahren für Dritte ausgeschlossen werden können und eine fachgerechte Installation erfolgt ist (Urteil: AZ 37 C 2283/20).

 

Seitens der SWG mbH muss eruiert werden, ob in den betroffenen Wohnungen/Häusern die Leitungen dafür ausgelegt sind, um eine Brandgefahr, auch durch ggfs. „wilde Leitungen“ und dem steigenden Risiko technischer Defekte, auszuschließen. Ebenso sollte, vor einem fachgerechten Anbau bzw. Befestigung der Anlage, eine Prüfung der Statik der Balkone vorgenommen werden. Weiterhin muss der Aspekt der optischen Einheitlichkeit an den Außenansichten von Wohnhäusern bei der Genehmigung Berücksichtigung finden.

Die durch den Anbau der Mini-PV-Anlage entstehende Beschädigung der Hausfassade inklusive Dämmung lassen Rückbaukosten entstehen, welche durch den Verursacher, ebenso wie die Anbau- und Installationskosten, zu tragen wären. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist ein sachgerechter Umgang durch den Nutzer, in diesem Zusammenhang ist dringlich die Klärung des Themas Versicherung und Haftung in Schadensfällen vorzunehmen und seitens des Mieters durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung nachzuweisen.

Zusammenfassend vertritt die SWG mbH die Einstellung, dass Genehmigungen, unter Berücksichtigung von Gestaltungsfragen/Sicherheitsaspekten und Gebäudestruktur, nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung erfolgen kann. Folglich sieht die SWG keine Möglichkeit, sich selbst proaktiv dem Thema Förderung zu widmen.

Zum aktuellen Zeitpunkt liegen der SWG fünf Anfragen von Mieter zum Aufbau von Balkonkraftwerken vor.

 

Auch ist vor dem Hintergrund der Energiekrise und den Problematiken in der Bauwirtschaft mit einer erhöhten finanziellen Belastung für Wohnungsunternehmen zu rechnen. Das Risiko zum einen die höheren Gaspreise an den Energieversorger zu zahlen und in Vorkasse für die Mieter zu gehen und ggfs. die eintretenden Mietausfälle vorzufinanzieren wird als sehr hoch eingeschätzt.

 

Die SWS Energie GmbH leistet ihren Beitrag zum Klimaschutzkonzept, in dem sie in die Errichtung und den Betrieb dezentraler Energieanlagen investiert. Der Ausbau von Photovoltaikanlagen zur CO2-freien, lokalen Stromerzeugung ist ein besonderer Schwerpunkt. Der Verkauf und die Vermietung von großen schlüsselfertigen PV-Anlagen ist eines der Kerngeschäfte der SWS und sollen die Kundenbindung erhöhen. Balkonkraftwerke sind darauf ausgelegt den Kunden zum Selbstversorger zu machen. Für die SWS Energie GmbH kann eine Kosten-Nutzen-Frage nicht positiv beantwortet werden.

 

Zwar gehen die Wirtschaftsplanungen 2023 der SWS Energie GmbH und SWG mbH von einem Jahresüberschuss gegenüber dem Vorjahr aus, erhebliche Risiken durch unkalkulierbare Energiemärkte und mögliche Forderungsausfälle sind hierin berücksichtigt, wie hoch diese aber tatsächlich ausfallen kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht benannt werden. Ableitend können auch Förderprogramme nicht unterstützt werden.

 

Auf dem Energiegipfel in Rostock am 22.08.2022 wurde durch die Landesregierung M-V eine Förderung in Höhe von 10 Millionen Euro beschlossen. Seit dem 08.11.2022 können beim Landesförderinstitut M-V Anträge auf Zuwendungen für steckerfertige Photovoltaik-Anlagen gestellt werden. Mit einem Festbetrag in Höhe von 500,00 Euro je Mini-Solaranlage soll Privatpersonen, als Mieter oder Eigentümer von selbst genutzten Wohneigentum, eine Förderung für Balkonkraftwerke zur Verfügung gestellt werden. Die Bearbeitung der Anträge erfolgt nach dem First-come-first-serve-Prinzip. Das Programm wird jedoch vom Bund der Steuerzahler M-V e.V. kritisiert, da die Fördersumme nur für 20.000 Anlagen ausreicht und der positive Effekt für das Klima aufgrund der begrenzten Mittel gering ist, zudem würden durch den bürokratischen Aufwand personelle Ressourcen gebunden, die woanders gebraucht werden.

 

Bei unserer Recherche konnten wir feststellen, dass einzelne Bundesländer und Kommunen regionale Förderangebote zur Verfügung stellen. Diese Programme, egal ob für Dach-PV-Anlagen oder Mini-Balkonanlagen, laufen nur solange, bis die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausgeschöpft ist. Die Zuschüsse werden zumeist aus dem städtischen Haushalt bereitgestellt, einzig das Bundesland Nordrhein-Westfalen (hier gibt es eine Pflicht zur Nutzung von PV-Anlagen) gibt finanzielle Unterstützung an ihre Städte und Gemeinden über eine sogenannte Billigkeitsrichtlinie „Erlass zur Kompensation von Schäden in Folge ausgebliebener Investitionen in den Klimaschutz in den Kommunen durch die Corona-Pandemie“ aus.

Die Budgets differieren für die Einzelmaßnahme mit Beträgen zwischen 200 Euro bis 300 Euro. Die Ausgabe der Mittel erfolgt in den Städten entweder direkt über eine Förderstelle, die als eigenes Amt in die Verwaltung eingebettet ist oder in den Ämtern für Umwelt. In beiden Fällen gibt es durch Beratungsstellen der Stadtwerke, Klima-Agenturen oder Vereinen Unterstützung, besonders hinsichtlich technischer Fragestellungen. Der administrative Aufwand bezüglich der Entwicklung von Förderrichtlinien, Antragformularen, Erarbeitung von Informationsmaterial sowohl digital, als auch bspw. in Form von Faltblättern, erfolgt federführend mit der Ausgabestelle in Abstimmung mit den Rechtsämtern und Organisationsabteilungen. Die Erfahrung der einzelnen Städte zeigt, dass neben Antragsbearbeitung und -abwicklung und Umsetzung der Vergaberichtlinien auch der Beratungsaufwand für Ausfüllhilfen des Antrages, Fristen, Recherche nach ausführenden Firmen einen erheblichen Zeit- und Verwaltungsaufwand darstellt.

Die Vergabe der Fördermittel knüpfen die Städte an bestimmte Bedingungen, wie beispielsweise Abgabe des Antrages zusammen mit einem Angebot (hier entsteht der Effekt, dass der lokale Handel dem Onlinehandel bevorzugt wird), Art des Steckers, Installation bzw. Abnahme durch einen Elektriker oder die Anmeldung beim örtlichen Energielieferanten. Die Stadt Stuttgart gewährt beispielsweise für Mieter einen pauschalen Zuschuss in Höhe von 100 Euro nur auf die Anschlusskosten.

Seitens der Stadt Braunschweig wurde betont, dass bei Beginn der Förderung der zeitliche Aufwand für Rückfragen der Bürger zum Antrag und zur Technik unterschätzt wurde. Zur reinen Antragsbearbeitung ist dort ein Mitarbeiter mit einer halben Stelle tätig.

 

 

Einwohner

Bewilligte Anträge

im Jahr

Budget im Jahr

Förderung pro Antrag

Freiburg

230.000

135 in 3 Jahren

27.000 Euro

für 3 Jahre

200 Euro

Hamm

179.000

80

50.000 Euro

200 Euro

Braunschweig

248.000

74

500.000 Euro

250 – 400 Euro

 

Hinzuweisen ist zuvorderst, dass eine Förderung der Hansestadt Stralsund eine rein freiwillige Leistung darstellt, unter der Voraussetzung, dass finanzielle Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt werden können, die aktuelle Haushaltssituation gibt hierfür jedoch keine Möglichkeiten insbesondere, da die Größenordnung dieser Förderung unklar ist.

So eine Förderung sollte unseres Erachtens eher langfristig aufgestellt sein, da die Anlauf- und Entwicklungskosten des Projektes nicht im Verhältnis dazu stehen würden. Das Beteiligungsmanagement hat eine Kalkulation des Projektes vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer angenommenen Fördersumme von 50.000 Euro / 200 Euro je Einzelförderung zusätzliche Verwaltungskosten in selber Höhe des Förderbetrages entstehen würden, die Gesamtkosten des Förderprogrammes würden sich somit auf 100.000,00 Euro belaufen.

 

Neben der Voraussetzung, dass die notwendigen Haushaltsmittel, deren Höhe zu definieren ist, zur Verfügung stehen, ist es notwendig eine Förderrichtlinie mit entsprechenden Auflagen und ein Antragsformular zu entwickeln. Weiterhin muss entschieden werden, durch welches Amt die Mittel bewirtschaftet werden (Auszahlung der Fördersumme und Prüfung des Verwendungsnachweises). Dem vorangegangen ist die Dokumentation und Prüfung der Daten der Antragssteller (um Betrug vorzubeugen, ggfs. müssen Nachforderungen zum Antrag gestellt werden) und das Versenden der Zuwendungsbescheide. Auch muss dem Antragsteller qualifiziert auf seine Fragen (technischer und administrativer Natur) geantwortet werden können. Dieser Prozess mündet in einer Projektauswertung. Um eine Förderung zu etablieren, müsste diese medial begleitet werden, beispielsweise durch eine Internetseite für Fragen und Informationen, Information in der Presse, Erstellen und Ausgabe von Handblättern/Informationsblättern.

Zur Umsetzung dieser grob gefassten Prozesse/Maßnahmen/Aufgaben muss eine Festlegung der personellen Kapazitäten getroffen werden. Beratend müssen aus unserer Sicht das Kämmereiamt, das Rechtsamt, die IT und die Stabsstelle Presse & Protokoll zur Verfügung stehen.

 

Aus Sicht des Beteiligungsmanagements kann eine Förderung von Balkonkraftwerken ein Anreiz zur Energiewende sein, jedoch sollen Fördermaßnahmen wirksam und nachhaltig eingesetzt werden und das Ergebnis im Verhältnis zur Fördersumme und bürokratischen Aufwand stehen, dies ist für die HST insbesondere auch wegen fehlender kommunaler Mittel nicht gegeben. Ausdrücklich möchten wir auf den, im Bericht erwähnten, „Antrag und Verwendungsnachweis auf Zuwendungen für steckerfertige Photovoltaik Anlagen für Bürger des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ vom Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt M-V verweisen, der durch die Stralsunder Bürger und Bürgerinnen, seit dem 08. November 2022, in Anspruch genommen werden kann. Dieser Antrag mit Merkblatt und Richtlinie liegt der Anlage bei und kann beim LFI M-V gestellt werden.

 

 

Marion Harder

 

 

Anlagen

Anlage 1              Antragsformular_Förderprogramm M-V

Anlage 2              Richtlinie_Förderprogramm M-V

Anlage 3              Merkblatt-PV-Anlagen_Förderprogramm M-V