Betreff
Stiftungsangelegenheiten - Wirtschaftssoforthilfe Stiftung Deutsches Meeresmuseum, überplanmäßige Ausgabe 2020
Vorlage
H 0070/2020
Art
Beschlussvorlage Hauptausschuss

Sachverhalt:

Das bis dahin städtische Meeresmuseum wurde aufgrund seiner gesamtnationalen Aufgabenstellung am 1.1.1994 in eine selbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Stralsund umgewandelt. Stifter sind die Hansestadt Stralsund und der Förderverein Deutsches Meeresmuseum e.V. (ehemals Verein der Freunde und Förderer des Meeresmuseums e.V.). Das Deutsche Meeresmuseum - Museum für Meereskunde und Fischerei · Aquarium (DMM) hat als einziges Museum seiner Art in Deutschland die gesamtstaatliche Aufgabe, die Fauna und Flora des Meeres sowie ihre Erforschung und wirtschaftliche Nutzung durch den Menschen unter nationalen und internationalen Aspekten museal darzustellen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Es ist eine kulturell wissenschaftliche Institution, die das Thema Mensch und Lebewesen des Meeres komplex untersucht und darstellt. Vorrangig hat es die Entwicklungsprozesse und ökologischen Zusammenhänge des Lebens im Meer sowie die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Meeresorganismen wissenschaftlich zu erforschen und allgemeinverständlich zu vermitteln, aber auch die tangierenden Themen der Kulturgeschichte mit einzubeziehen. Im Dezember 2001 ist das Deutsche Meeresmuseum in das Blaubuch aufgenommen worden, eine Liste von 23 national bedeutsamen kulturellen Einrichtungen in den neuen Bundesländern (Auszüge aus Vorbericht des Wirtschaftsplanes). Das Blaubuch dient als kulturelles Identifikationsangebot und unterstreicht die Bedeutung der ostdeutschen Kulturlandschaft für das gesamtdeutsche und europäische kulturelle Erbe. Das DMM ist zudem eines der bestbesuchten Museen in Deutschland. Damit nimmt die Stiftung eine im dringenden Interesse der Hansestadt Stralsund und darüber hinaus liegende Aufgabe im Sinne des § 2 der Kommunalverfassung M-V wahr.

 

Seit Gründung der Stiftung erhält das DMM jährliche institutionelle Zuwendungen insbesondere durch Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Bund), das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern (Land) sowie durch die Hansestadt Stralsund (im jeweiligen Verhältnis von 50 %, 25 %, 25 %). Das DMM hat einen Kostendeckungsgrad von ca. 85 %.

Wie bekannt, ist auch das DMM von der im Rahmen der Bekämpfung und Verlangsamung der Coronavirus-Pandemie behördlich angeordneten Schließung seit dem 14.03.2020 betroffen. AlIe Häuser der Stiftung, wie das Ozeaneum, Meeresmuseum und Natureum wurden geschlossen. Die Grundversorgung der Tiere und der Notbetrieb der Einrichtungen wurden entsprechend organisiert. Das notwendige Personal wurde in Homeoffice geschickt. Zur Kostenreduzierung wurde u. a. eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat über Kurzarbeit geschlossen, vertraglich gebundene Saisonkräfte mussten betriebsbedingt gekündigt werden sowie weitere Aufwendungen wurden auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß reduziert.

 

Mit Kabinettsbeschluss des Landes M-V vom 07.04.2020 wurden Hilfsprogramme speziell für den Bereich Kunst- und Kultur aufgelegt, die insbesondere auch für institutionell geförderte Einrichtungen gebildet wurden, zu denen auch die Stiftung DMM zählt. „Ziel ist es, nicht vermeidbare Defizite, die durch Einnahmeausfälle bzw. coronabedingte Ausgaben entstehen, auszugleichen. Voraussetzung ist eine angemessene, an der Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der weiteren Träger.“ (siehe Anlage, Säule 1)

 

Auch der Bund hat ein Rettungs- und Zukunftspaket „NEUSTART KULTUR“ aufgelegt, nach dem eine Unterstützung bundesgeförderter Kultureinrichtungen erfolgen soll. Insbesondere bei gemeinsam mit Ländern bzw. Kommunen getragenen Einrichtungen und Projekten wird der Bund seinen Anteil an der Kofinanzierung leisten.

 

Zur Vermeidung einer existenzbedrohenden Wirtschaftslage wurden die im Rahmen der „normalen“ Wirtschaftsführung zugesagten Finanzmittel der Zuwendungsgeber mittlerweile von allen Zuwendungsgebern beschieden und bereits vollends ausbezahlt.

Nach einer aktuellen Hochrechnung des DMM im Rahmen einer Abfrage des zuständigen Referates bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien wird von einem gegenwärtig erwarteten Fehlbetrag auf Grund der pandemiebedingten, weggefallenen Einnahmen und unabwendbaren Ausgaben zum Ende des Haushaltsjahres 2020 in Höhe von rund 4.997.100,00 Euro ausgegangen. Dies unter der Annahme, dass kein weiterer Lockdown angeordnet oder die Vorschriften bezüglich eines Besucherdurchgangs verschärft werden. Vom erwarteten Fehlbetrag wurden bereits insgesamt 875.596,50 Euro Notbetriebshilfen aus dem Schutzfonds M-V für Zoos und tiergärtnerische Einrichtungen für die ordnungsgemäße Betreuung und Pflege der Tierbestände während der Corona-Pandemie ausbezahlt. Der verbleibende Restfehlbetrag zur Absicherung der Wirtschaftsführung der Stiftung in Höhe von rund 4.121.500,00 Euro ist durch die Zuwendungsgeber zur Absicherung des laufenden Betriebes der Stiftung aufzubringen. Der Anteil der Hansestadt Stralsund beträgt dabei ca. 1.030.400,00 Euro.

 

Insgesamt haben im ersten Halbjahr 127.893 Gäste von geplanten 306.800 die Museen der Stiftung DMM besucht. In der zweiten Jahreshälfte werden von geplanten 522.200 Besuchern voraussichtlich 205.200 erwartet. So rechnet die Stiftung mit einem Rückgang der Besucher in Höhe von ca. 495.000, welches finanzielle Ausfälle von 4.823.400 Euro verursacht. Auch geplante sonstige betriebliche Erträge aus Führungen, Vorträgen, Verkäufen werden nicht realisiert. Zudem werden coronabedingte Zusatzkosten in Höhe von 400.300 Euro prognostiziert. Zwar werden auch Einsparungen insbesondere durch den Erhalt von Kurzarbeitergeld generiert,  die aber die erheblichen Mindereinnahmen nicht ausgleichen können.

 

Das Land M-V hat bereits einen weiteren stichtagsbezogenen Zuwendungs(abschlags)bescheid aus dem Schutzfonds M-V im Rahmen der institutionellen Förderung erlassen, der zusätzliche coronabedingte Mittel in Höhe von 144.652,75 Euro ausweist. Diese Zuwendung steht aber unter dem Vorbehalt, dass sowohl der Bund als auch die Hansestadt Stralsund entsprechende Zuschüsse gemäß dem Finanzierungsschlüssel für die Wahrnehmung satzungsgemäßer Aufgaben gewähren. Seitens des Landes wird mit weiteren Anträgen gerechnet, die durch das DMM in den nächsten Tagen in Höhe des o. g. Restfehlbetrages entsprechend gestellt werden.

 


Beschlussvorschlag:

 

Der Hauptausschuss der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

1.

Der Stiftung  Deutsches Meeresmuseum - Museum für Meereskunde und Fischerei · Aquarium werden überplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen in Höhe von weiteren maximalen 100.000,00 Euro zur Absicherung der Finanzierung ihrer unabweisbaren coronabedingten Fehlbeträge (Einnahmeausfälle sowie Mehrausgaben) und im Sinne einer angemessenen an der Leistungsfähigkeit der Hansestadt Stralsund orientierten Beteiligung an der Komplementärfinanzierung zur Verfügung gestellt.

 

2.

Die Mittel werden im Teilhaushalt 90, Leistung 25.1.03.01.1, Sachkonto 54147000 überplanmäßig bereitgestellt.

 

3. 

Die finanzielle Deckung erfolgt in Ermangelung eines Deckungsvorschlags aus dem Haushalt 2020 infolge der coronabedingten Steuerausfälle und der Mehraufwendungen/-auszahlungen,  entsprechend der Leitlinien des Ministeriums für Inneres und Europa M-V vom 08.04.2020 in Anwendung des kommunalen Haushaltsrechts im Rahmen der Auswirkungen der Coronavirus- Pandemie. Soweit diesbezüglich über- und außerplanmäßige Aufwendungen/Auszahlungen nach § 50 Kommunalverfassung M-V erforderlich werden, ist es ausnahmsweise zulässig, dass die Deckung innerhalb des Finanzplanungszeitraums dargestellt wird, wenn die Deckung im laufenden Jahr nicht möglich sein sollte. Die Deckung muss demnach im Rahmen der Haushaltsplanung 2021 gewährleistet werden.

 


Lösungsvorschlag:

Für die Sicherstellung der Gesamtfinanzierung der nicht vermeidbaren Defizite, die durch Einnahmeausfälle bzw. coronabedingte unabwendbare Ausgaben im DMM entstehen (vorbehaltlich etwaiger Entscheidungen zu einem weiteren Lockdown oder sich verändernden Hygieneauflagen usw.), ist die Hansestadt Stralsund angehalten, im Rahmen der institutionellen Förderung ihren Beitrag zu leisten. Bund und Land werden durch die jeweilig aufgelegten Schutzfonds ihre  Anteile unter der Auflage bereitstellen, dass sich die weiteren Träger gemäß dem Finanzierungsschlüssel (50 % Bund, je 25 % Land und HST) an den Kosten beteiligen. Voraussetzung nach dem Landesschutzfonds M-V ist eine angemessene, an der Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der weiteren Träger.

 

Der Haushaltsplan 2020 wurde durch die Bürgerschaft am 16.04.2020 beschlossen. Coronabedingte Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben waren nicht valide bezifferbar (und sind es bis jetzt auch noch nicht) und deshalb in der Haushaltsplanung 2020 nicht berücksichtigt. Die Haushaltssatzung 2020 der Hansestadt Stralsund wurde am 03.07.2020 durch die  rechtsaufsichtlichen Entscheidungen mit Auflagen genehmigt. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Hansestadt Stralsund ist trotz des ausgeglichenen Haushalts bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums eingeschränkt.

 

Nunmehr zeichnen sich im Rahmen der Haushaltsdurchführung erhebliche Defizite/Fehlbedarfe in Höhe von 5.716.100 Euro zuzüglich der durch das DMM beantragten Wirtschaftssoforthilfe/Zuschüsse durch die Corona-Pandemie ab, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eigenständig durch die Hansestadt Stralsund gedeckt werden können. Trotz Ankündigungen, dass der Bund u. a. Ausfälle der Gemeinden an der Gewerbesteuer anteilig übernehmen wolle, liegen hierzu noch keine konkreten Durchführungserlasse vor.

 

Zur Sicherstellung der Gesamtfinanzierung im DMM und damit verbundenen Aufgaben wird vorgeschlagen, dass die Hansestadt Stralsund weitere finanzielle Mittel bis zu einer maximalen Höhe von 100.000,00 Euro für den Ausgleich der Einnahmeausfälle bzw. coronabedingten Ausgaben der Stiftung für das Wirtschaftsjahr 2020 zur Verfügung stellt. Aus Sicht der Verwaltung stellt dieser Betrag eine (über die laufende institutionelle Förderung hinaus) maximal mögliche Summe sowie eine angemessene und an der Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Hansestadt Stralsund dar und entspricht den verfahrensleitenden Hinweisen des Ministeriums für Inneres und Europa vom 21.04.2020 zu Unterstützungsleistungen der Kommunen zur Überbrückung von Liquiditätsproblemen aus Anlass der Coronavirus-Pandemie.

Auf Grund der derzeit eigenen defizitären Finanzlage und derzeit nicht konkret bezifferbaren, aber dennoch nicht unwesentlichen, coronabedingten Mindererträgen insbesondere im Steuerbereich, sind weitere Zuschüsse nicht möglich. Zudem ist hierbei noch nicht bekannt, inwieweit die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht auch noch in den Folgejahren zu Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben führen werden.

 

Für den nicht von der Hansestadt Stralsund leistbaren Restbetrag sind Verhandlungen mit dem Land M-V mit der Bitte aufzunehmen, den weiteren Anteil zu übernehmen.

 

Die benannten überplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen in Höhe von 100.000,00 Euro sind gemäß den oben dargelegten Sachverhalten angemessen und gemäß § 50 Kommunalverfassung M-V zulässig. Sie sind coronabedingt unvorhergesehen und durch die Zusagen der anderen Zuwendungsgeber und zur Sicherstellung der Gesamtfinanzierung der Stiftung unabweisbar. Die Hansestadt Stralsund hat ein erhebliches Interesse, dass die Stiftung ihre übertragenen Aufgaben weiterhin wahrnehmen kann.

 

Die Zuständigkeit des Hauptausschusses ergibt sich aus § 10 Absatz 3 Punkt 2 der Hauptsatzung.

 


Alternativen:

Keine empfehlenswerten

Sofern seitens der Hansestadt Stralsund keine angemessene Beteiligung an den coronabedingten Fehlbeträgen des DMM erfolgt, ist eine Kofinanzierung der weiteren Zuwendungsgeber Bund und Land auf Grund der Auflagen aus den jeweiligen Schutzfonds nicht sichergestellt, da eine institutionelle Förderung für das DMM Zuschüsse aller  Zuwendungsgeber nach dem Finanzierungsschlüssel 50/25/25 Prozent voraussetzt.

Könnten die coronabedingten Kosten nicht durch die Zuwendungsgeber anteilig aufgebracht werden, kann die Stiftung ihren in der Satzung verankerten Aufgaben nicht mehr nachkommen. Die Stiftung wäre ggf. zu beenden. Das Vermögen würde nach Satzung an die Hansestadt Stralsund fallen, die das Vermögen unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.