Betreff
Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 23 der Hansestadt Stralsund „Möbelmärkte südlich der Werftstraße“ - Aufstellungsbeschluss und Einleitung des 6. Änderungsverfahrens für den Flächennutzungsplan der Hansestadt Stralsund
Vorlage
B 0020/2020
Art
Beschlussvorlage Bürgerschaft

Sachverhalt:

Gemäß dem kurz vor dem Abschluss stehenden Regionalen Einzelhandelskonzept für den Stadt-Umland-Raum Stralsund (Entwurf) ist im Bereich Hausrat, Einrichtung und Möbel mit einem Kaufkraftzuwachs in Höhe von 3,7 Mio. Euro zu rechnen. Das Angebot im Möbelsektor ist im Stadt-Umland-Raum Stralsund vorwiegend durch mittelgroße Anbieter mit einfachem bis discountorientiertem Sortiment geprägt. Höherwertige Einrichtungsangebote sind derzeit hauptsächlich bei Interliving MMZ im Stadtteil Andershof zu finden. Ein modernes Einrichtungshaus ist in der Region bislang nicht vorhanden. Daher empfiehlt das im Entwurf vorliegende Regionale Einzelhandelskonzept aufgrund der steigenden Kaufkraft eine Verbesserung des Angebotes im höherwertigen Möbelsegment die Ansiedlung eines modernen Einrichtungskaufhauses bzw. Wohnkaufhauses. Damit kann die regionale Versorgungsfunktion des Oberzentrums Stralsund gestärkt werden.

 

Als Vorzugsstandort für ein Einrichtungskaufhaus wird der perspektivische Ergänzungsstandort östlich der Greifswalder Chaussee zwischen Werftstraße und Bundesstraße B 96 benannt. Dieser ist für die Ansiedlung zusätzlicher großflächiger Einzelhandelsprojekte vorgesehen, für die an den bestehenden Ergänzungsstandorten keine ausreichenden Flächenpotenziale bestehen. Insbesondere für ein modernes Einrichtungshaus sind derzeit an den bestehenden Ergänzungsstandorten, die sich im Stadtgebiet Stralsund in Andershof und an der Rostocker Chaussee befinden, keine Potenzialflächen vorhanden (Flächenanforderung Möbelvollsortimenter 10.000 – 30.000 m² Verkaufsfläche (VF), große Vollsortimenter ab 30.000 m² VF).

 

Da sich Ergänzungsstandorte aufgrund ihrer autokundenorientierten Lage grundsätzlich für Betriebe mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment eignen, sollten diese als vorrangige Standorte für die Ansiedlung von Einzelhandel mit nicht innenstadtrelevanten Kernsortimenten dienen und so im Hinblick auf die gesamtstädtische Zentren und Standortstruktur eine ergänzende Funktion zu den zentralen Versorgungsbereichen einnehmen.

 

Die Löwengrund Immobilien GmbH beabsichtigt die Errichtung eines Möbelfachmarktes bestehend aus dem Möbelvollsortimenter XXXLutz mit einer Verkaufsfläche von ca. 21.000 m² und dem Möbeldiscounter Mömax mit ca. 7.500 m² VF auf dem unbebauten Areal zwischen Werftstraße und Bundesstraße B 96, östlich der Greifswalder Chaussee. Die vorgesehene großflächige Einzelhandelsnutzung ist am geplanten Standort derzeit bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Baurecht für die angestrebte Entwicklung kann nur durch einen Bebauungsplan geschaffen werden. Mit Schreiben vom 20.04.2020 beantragt der Vorhabenträger deshalb die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gemäß § 12 BauGB.

 

Von dem ca. 2,7 ha großen Plangebiet (s. Anlage 1) befindet sich die überwiegende Fläche (ca. 1,9 ha) bereits im Besitz des Vorhabenträgers. Für die derzeit noch im städtischen Eigentum befindlichen Flurstücke 11/12, 17/8, 23/2, 23/3, 24/1, 29/3 und 96/2 der Flur 37 ist der Verkauf der Grundstücke an den Vorhabenträger geplant (s. Beschlussvorlage Nr. B 0051/2019).

 

Die ursprünglich auf diesem Gelände vorgesehene Planung eines Teppichfachmarktes und weiterer Handelsbetriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten wurde vom Vorhabenträger verworfen. Das mit Beschluss der Bürgerschaft vom 10. Mai 2001 (Beschluss-Nr. 2001-III-04-0514) eingeleitete Verfahren zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 52 „Knutzen Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“ wurde nach dem Rückzug des Vorhabenträgers nicht fortgeführt.

 

Der rechtswirksame Flächennutzungsplan (FNP) der Hansestadt Stralsund stellt das Plangebiet als gewerbliche Baufläche dar (s. Anlage 2). Der Bebauungsplan kann damit nicht gem. § 8 Abs. 2 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden.

 


Beschlussvorschlag:

Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

1. Der Beschluss der Bürgerschaft Nr. 2001-III-04-0514 zum Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes Nr. 52 der Hansestadt Stralsund „Knutzen Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“ vom 10. Mai 2001 wird aufgehoben.

 

2. Für das im Stadtgebiet Franken, Stadtteil Franken Mitte gelegene Gebiet südlich der Werftstraße soll ein Bebauungsplan gemäß § 2 Abs. 1 BauGB aufgestellt werden.

Das ca. 2,7 ha große Plangebiet umfasst die Flächen der Gemarkung Stralsund, Flur 37, Flurstücke 2/65, 8/15, 8/17, 11/3, 11/12, 12/6, 12/8, 12/12, 13/5, 13/6, 13/8, 14/1, 15/1, 16/4, 17/8, 17/14, 23/2, 23/3, 24/1, 29/3 und 96/2. Es wird begrenzt im Süden durch die Bundesstraße B 96, im Westen durch die Greifswalder Chaussee, die Grundstücke Greifswalder Chaussee 120 (Burger King), 122 (TOTAL-Tankstelle) und 123 (McDonald’s), im Norden durch die Bebauung entlang der Werftstraße und im Osten durch das Grundstück Werftstraße 17b (Zauncenter Nord).

 

3. Ziel der Planung ist die Entwicklung eines Sonstigen Sondergebietes für großflächigen Einzelhandel mit der Zweckbestimmung Möbelmarkt. Die besonderen gestalterischen Anforderungen an diesen Standort an der überörtlichen Hauptverkehrsstraße sind bei der Planung zu berücksichtigen.

 

4. Der rechtswirksame Flächennutzungsplan, genehmigt mit Bescheid der höheren Verwaltungsbehörde vom 8.5.1999, Az. 512.111-05.000 soll für die ca. 3,2 ha große Teilfläche zwischen Werftstraße und B 96 geändert werden.

Der im Flächennutzungsplan bisher als gewerbliche Baufläche dargestellte Änderungsbereich soll nun überwiegend als Sonderbaufläche dargestellt werden.

 

5. Der Beschluss ist gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen.

 

 


Lösungsvorschlag:

Die Ansiedlung eines modernen Einrichtungshauses wird befürwortet. Dazu soll gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ein Bebauungsplan mit Umweltbericht aufgestellt werden. Geplant ist ein Sonstiges Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel mit der Zweckbestimmung Möbelmarkt.

 

Im Vorfeld des Aufstellungsbeschlusses wurde die Verträglichkeit des Vorhabens durch drei Fachgutachten untersucht.

 

1. Eine „Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung von XXXLutz und Mömax in der Hansestadt Stralsund“ wurde aufbauend auf dem Entwurf des Regionalen Einzelhandelskonzeptes für den Stadt-Umland-Raum Stralsund durch die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH (GMA) erarbeitet. Das Gutachten vom Januar 2020 hatte die Aufgabe, das Ansiedlungsvorhaben mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 28.500 m² VF auf mögliche wirtschaftliche, städtebauliche und raumordnerische Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO sowie die Einhaltung der Ziele der Landes und Regionalplanung zu analysieren und zu bewerten.

 

Die Verträglichkeitsanalyse gelangt zu dem Ergebnis, dass das Ansiedlungsvorhaben eine deutliche Aufwertung des Möbelhandels im Oberzentrum Stralsund erwarten lässt. Insgesamt sind von der Ansiedlung des Vorhabens eine Stärkung der Kaufkraftbindung sowie eine verstärkte Kaufkraftrückholung bislang abfließender Kaufkraft, z. B. in den möbelhändlerisch dominierenden Stadt-Umland-Raum Rostock, zu erwarten. Die Umstrukturierung wird außerdem dazu führen, dass der räumliche Schwerpunkt des Möbelhandels in Stralsund von der Peripherie an das Stadtzentrum näher heranrückt und zukünftig innenstadtnah und verkehrlich gut erreichbar sein wird.

 

Die Auswirkungsanalyse zeigt, dass negative raumordnerische oder städtebauliche Auswirkungen nicht zu erwarten sind. Insgesamt sind zwar wettbewerbliche Effekte in den zentrenrelevanten Sortimenten zu prognostizieren, ein Umschlagen der wettbewerblichen Effekte in städtebauliche Beeinträchtigungen im Sinne eines Funktionsverlustes sind aber weder für den zentralen Versorgungsbereich Altstadt Stralsund noch für andere zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten. Eine Gefährdung innerstädtischer Einzelhandelslagen und zentraler Versorgungsbereiche ist demnach auszuschließen. Die wettbewerblichen Auswirkungen werden zu einer Umstrukturierung des Möbelhandels zu Lasten bestehender Möbelanbieter gehen. Auch die Versorgungsfunktion der Oberzentren Greifswald, Rostock und Neubrandenburg im Möbelbereich wird durch das Vorhaben in Stralsund nicht wesentlich beeinträchtigt.

 

2. Mit der „UNESCO-Welterbe- und Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung für das geplante Einrichtungshaus XXXLutz und Mömax“ wurde das Büro UmweltPlan beauftragt.

 

Die Konzeptideen des Vorhabenträgers zielen auf die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes zur Unterbringung der beiden Möbelmärkte. Der Verkauf soll in den ersten drei Geschossen stattfinden, während das 3. Obergeschoss als Lager ausgebildet werden soll. Aufgrund der dafür notwendigen Gebäudehöhe von ca. 19 m und der Lage des Plangebietes im Abstand von weniger als 1 km um die UNESCO-Welterbestätte Historische Altstadt Stralsund und die Denkmalbereiche Altstadt und Hafeninsel wurde zur grundsätzlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens eine visuelle Stadtbildverträglichkeit erforderlich.

 

Im Ergebnis der Visualisierung mit Stand vom November 2019 ist festzustellen, dass der Baukörper durch die relativ einfache Fassadengestaltung in Verbindung mit den Dimensionen kompakt und massiv und damit in Grundfläche und Höhe unmaßstäblich im Verhältnis zu den Dimensionierungen der städtischen Bebauung wirkt. Durch die dichte Lage des Baukörpers an der B 96 wird beim Vorbeifahren die Raumproportion stark verändert und infolge ein „bedrängendes“ Raumerlebnis gefördert oder erzeugt.

 

Direkte Sichtüberlagerungen von Einrichtungshaus und historischer Altstadtsilhouette sind bei der unmittelbaren Passage auf der Ortsumgehung am geplanten Einrichtungshaus zu erwarten. Hier ist das Konfliktpotential aber als gering einzustufen, da die Kirchtürme als maßgebliche Elemente der Altstadtsilhouette kaum sichtbar sind. Die wertgebenden Sichtbeziehungen auf die Welterbestätte von Altefähr aus oder aus dem Fahrwasser sind davon nicht betroffen, da der Möbelmarkt von hier aus nicht sichtbar in Erscheinung tritt. Das Gutachten kommt damit zu dem Ergebnis, dass die vom Vorhaben ausgehenden Auswirkungen als gering bis mittel einzustufen sind, die nach der ICOMOS-Bewertungsskala eine leicht nachteilige und damit verträgliche Gesamtauswirkung erwarten lassen.

 

Um die visuellen Auswirkungen auf das Stadtbild zu verringern, sollen im Bebauungsplan gestalterische Festsetzungen zur Fassadengestaltung und zur Zulässigkeit von Werbeanlagen getroffen werden. Das Gutachten empfiehlt eine Gliederung des Baukörpers durch eine Höhenabstufung und eine Fassadengestaltung zur Minderung der massiven und kompakten Wirkung des Baukörpers.

 

Der mit dem Antrag des Vorhabenträgers im April 2020 eingereichte Strukturentwurf (s. Anlage 3) lässt nun eine Höhenstaffelung erkennen. So soll der Gebäudekomplex mit Gebäudehöhen von vorrangig 18,5 m und im abgestuften Bereich mit 12,20 m realisiert werden. Weiterhin sind Bestandteil des Strukturentwurfes zwei Varianten zur Fassadengestaltung, von denen die Stadt aufgrund der zurückhaltenden Werbung die Variante 1 favorisiert. Weitere Abstimmungen dazu werden im Planverfahren erfolgen.   

 

3. Mit der „Verkehrlichen Stellungnahme für den geplanten Bau eines Möbelfachmarkts an der Greifswalder Chaussee in der Hansestadt Stralsund“ vom September 2019 wurden die grundsätzlichen Auswirkungen des zusätzlich erzeugten Verkehrs auf den bestehenden Verkehrsablauf bzw. die unmittelbar anliegenden Verkehrsanlagen durch die HOFFMANN-LEICHTER Ingenieurgesellschaft ermittelt.

 

Im Ergebnis ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazität und Dimensionierung der umliegenden Verkehrsanlagen die verkehrstechnischen Voraussetzungen für eine leistungsfähige Erschließung des Plangebiets gegeben sind. Es sind nach bisherigem Stand keine baulichen Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung an den unmittelbar betroffenen Knotenpunkten erforderlich. Um Konflikte mit dem ein- und ausfahrenden Verkehr sowie dem Kfz-Verkehr und dem querenden Fuß- und Radverkehr zu verringern, empfiehlt das Gutachten, den gesamten ein- und ausfahrenden Verkehr, einschließlich der bereits bestehenden Tankstelle und der Schnellrestaurants, über eine Ein- und Ausfahrt zu erschließen und so die bestehende Anzahl an Grundstückzufahrten an der Greifswalder Chaussee zu reduzieren.

 

In dem nun vorliegenden Strukturentwurf wird dies berücksichtigt.

Weiterhin geht Entwurf davon aus, dass die Zufahrt zu den Möbelhäusern über die Greifswalder Chaussee und die Abfahrt über die Werftstraße erfolgt. Die Unterbringung des ruhenden Verkehrs erfolgt zum einen in einer oberirdischen Stellplatzanlage nördlich angrenzend an das Schnellrestaurant Burger King mit ca. 180 Stellplätzen, sowie in einer Tiefgarage unterhalb des Möbelmarktes mit ca. 300 Stellplätzen.

 

Der nach § 9 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz vorgeschriebene Abstand hochbaulicher Anlagen zu Bundesstraßen von 20 m ist bei der Planung zu berücksichtigen.

 

Aufgrund der Darstellung als gewerbliche Baufläche im rechtswirksamen Flächennutzungsplan kann die nun geplante Nutzung nicht gem. § 8 Abs. 2 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden. Um dem Entwicklungsgebot entsprechen zu können, müssen die Darstellungen des Flächennutzungsplans geändert werden. Der Bereich soll nun überwiegend als Sonderbaufläche dargestellt werden. Dazu wird der Bürgerschaftsbeschluss Nr. 2001-III-04-0514 vom 10. Mai 2001 zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 52 der Hansestadt Stralsund „Knutzen Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“ und zur Einleitung des Änderungsverfahrens für den Flächennutzungsplan aufgehoben. Das Verfahren soll mit einem neuen Beschluss in einer geänderten Abgrenzung eingeleitet werden.

 

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens werden die Eingriffe in Natur und Landschaft erfasst und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen festlegt.

 

Die Durchführung des Vorhabens und der notwendigen Erschließung dafür wird die Hansestadt Stralsund in einem Durchführungsvertrag mit dem Vorhabenträger regeln. In diesem Vertrag ist außerdem der Zeitrahmen für die Realisierung zu vereinbaren.

 

 


Alternativen: 

An diesem Standort besteht kein Baurecht nach § 34 BauGB für die beschriebene Einzelhandelsentwicklung. Wenn hier ein großflächiger Möbelmarkt entstehen soll, gibt es zur Aufstellung eines Bebauungsplanes und zur Änderung des Flächennutzungsplanes keine Alternative.