Sachverhalt:
Gemäß dem kurz vor dem Abschluss stehenden Regionalen
Einzelhandelskonzept für den Stadt-Umland-Raum Stralsund (Entwurf) ist im
Bereich Hausrat, Einrichtung und Möbel mit einem Kaufkraftzuwachs in Höhe von
3,7 Mio. Euro zu rechnen. Das Angebot im Möbelsektor ist im
Stadt-Umland-Raum Stralsund vorwiegend durch mittelgroße Anbieter mit einfachem
bis discountorientiertem Sortiment geprägt. Höherwertige Einrichtungsangebote
sind derzeit hauptsächlich bei Interliving MMZ im Stadtteil Andershof zu
finden. Ein modernes Einrichtungshaus ist in der Region bislang nicht
vorhanden. Daher empfiehlt das im Entwurf vorliegende Regionale
Einzelhandelskonzept aufgrund der steigenden Kaufkraft eine Verbesserung des
Angebotes im höherwertigen Möbelsegment die Ansiedlung eines modernen
Einrichtungskaufhauses bzw. Wohnkaufhauses. Damit kann die regionale
Versorgungsfunktion des Oberzentrums Stralsund gestärkt werden.
Als Vorzugsstandort für ein Einrichtungskaufhaus wird der
perspektivische Ergänzungsstandort östlich der Greifswalder Chaussee zwischen
Werftstraße und Bundesstraße B 96 benannt. Dieser ist für die Ansiedlung
zusätzlicher großflächiger Einzelhandelsprojekte vorgesehen, für die an den
bestehenden Ergänzungsstandorten keine ausreichenden Flächenpotenziale bestehen.
Insbesondere für ein modernes Einrichtungshaus sind derzeit an den bestehenden
Ergänzungsstandorten, die sich im Stadtgebiet Stralsund in Andershof und an der
Rostocker Chaussee befinden, keine Potenzialflächen vorhanden
(Flächenanforderung Möbelvollsortimenter 10.000 – 30.000 m² Verkaufsfläche
(VF), große Vollsortimenter ab 30.000 m² VF).
Da sich Ergänzungsstandorte aufgrund ihrer autokundenorientierten Lage
grundsätzlich für Betriebe mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment eignen,
sollten diese als vorrangige Standorte für die Ansiedlung von Einzelhandel mit
nicht innenstadtrelevanten Kernsortimenten dienen und so im Hinblick auf die
gesamtstädtische Zentren‐ und Standortstruktur eine ergänzende Funktion zu den zentralen
Versorgungsbereichen einnehmen.
Die Löwengrund Immobilien GmbH beabsichtigt die Errichtung eines
Möbelfachmarktes bestehend aus dem Möbelvollsortimenter XXXLutz mit einer
Verkaufsfläche von ca. 21.000 m² und dem Möbeldiscounter Mömax mit ca.
7.500 m² VF auf dem unbebauten Areal zwischen Werftstraße und Bundesstraße
B 96, östlich der Greifswalder Chaussee. Die vorgesehene großflächige
Einzelhandelsnutzung ist am geplanten Standort derzeit bauplanungsrechtlich
nicht zulässig. Baurecht für die angestrebte Entwicklung kann nur durch einen
Bebauungsplan geschaffen werden. Mit Schreiben vom 20.04.2020 beantragt der
Vorhabenträger deshalb die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans
gemäß § 12 BauGB.
Von dem ca. 2,7 ha großen Plangebiet (s.
Anlage 1) befindet sich die überwiegende Fläche (ca. 1,9 ha) bereits im
Besitz des Vorhabenträgers. Für die derzeit noch im städtischen Eigentum
befindlichen Flurstücke 11/12, 17/8, 23/2, 23/3, 24/1, 29/3 und 96/2 der Flur
37 ist der Verkauf der Grundstücke an den Vorhabenträger geplant (s. Beschlussvorlage
Nr. B 0051/2019).
Die ursprünglich auf diesem Gelände vorgesehene Planung eines
Teppichfachmarktes und weiterer Handelsbetriebe mit nicht zentrenrelevanten
Sortimenten wurde vom Vorhabenträger verworfen. Das mit Beschluss der
Bürgerschaft vom 10. Mai 2001 (Beschluss-Nr. 2001-III-04-0514) eingeleitete
Verfahren zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 52 „Knutzen
Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“ wurde nach dem Rückzug des
Vorhabenträgers nicht fortgeführt.
Der rechtswirksame Flächennutzungsplan (FNP) der Hansestadt Stralsund
stellt das Plangebiet als gewerbliche Baufläche dar (s. Anlage 2). Der
Bebauungsplan kann damit nicht gem. § 8 Abs. 2 BauGB aus dem
Flächennutzungsplan entwickelt werden.
Beschlussvorschlag:
Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:
1. Der Beschluss der Bürgerschaft Nr. 2001-III-04-0514 zum
Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes Nr. 52 der Hansestadt Stralsund
„Knutzen Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“ vom 10. Mai 2001 wird
aufgehoben.
2. Für das im Stadtgebiet Franken, Stadtteil Franken Mitte gelegene
Gebiet südlich der Werftstraße soll ein Bebauungsplan gemäß § 2 Abs. 1
BauGB aufgestellt werden.
Das ca. 2,7 ha große Plangebiet
umfasst die Flächen der Gemarkung Stralsund, Flur 37, Flurstücke 2/65, 8/15,
8/17, 11/3, 11/12, 12/6, 12/8, 12/12, 13/5, 13/6, 13/8, 14/1, 15/1, 16/4, 17/8,
17/14, 23/2, 23/3, 24/1, 29/3 und 96/2. Es wird begrenzt im Süden durch die
Bundesstraße B 96, im Westen durch die Greifswalder Chaussee, die
Grundstücke Greifswalder Chaussee 120 (Burger King), 122 (TOTAL-Tankstelle) und
123 (McDonald’s), im Norden durch die Bebauung entlang der Werftstraße und im
Osten durch das Grundstück Werftstraße 17b (Zauncenter Nord).
3. Ziel der Planung ist die Entwicklung eines Sonstigen Sondergebietes
für großflächigen Einzelhandel mit der Zweckbestimmung Möbelmarkt. Die
besonderen gestalterischen Anforderungen an diesen Standort an der
überörtlichen Hauptverkehrsstraße sind bei der Planung zu berücksichtigen.
4. Der rechtswirksame Flächennutzungsplan, genehmigt mit Bescheid der
höheren Verwaltungsbehörde vom 8.5.1999, Az. 512.111-05.000 soll für die ca.
3,2 ha große Teilfläche zwischen Werftstraße und B 96 geändert
werden.
Der im Flächennutzungsplan bisher als gewerbliche Baufläche dargestellte
Änderungsbereich soll nun überwiegend als Sonderbaufläche dargestellt werden.
5. Der Beschluss
ist gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen.
Lösungsvorschlag:
Die Ansiedlung eines modernen Einrichtungshauses wird befürwortet. Dazu
soll gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ein Bebauungsplan mit Umweltbericht
aufgestellt werden. Geplant ist ein Sonstiges Sondergebiet für großflächigen
Einzelhandel mit der Zweckbestimmung Möbelmarkt.
Im Vorfeld des Aufstellungsbeschlusses wurde die Verträglichkeit des
Vorhabens durch drei Fachgutachten untersucht.
1. Eine „Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung von XXXLutz und Mömax in der
Hansestadt Stralsund“ wurde aufbauend auf dem Entwurf des Regionalen
Einzelhandelskonzeptes für den Stadt-Umland-Raum Stralsund durch die
Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH (GMA) erarbeitet. Das Gutachten
vom Januar 2020 hatte die Aufgabe, das Ansiedlungsvorhaben mit einer Gesamtverkaufsfläche
von ca. 28.500 m² VF auf mögliche wirtschaftliche, städtebauliche und
raumordnerische Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO sowie die
Einhaltung der Ziele der Landes‐ und Regionalplanung zu analysieren und zu bewerten.
Die Verträglichkeitsanalyse gelangt zu dem Ergebnis, dass das
Ansiedlungsvorhaben eine deutliche Aufwertung des Möbelhandels im Oberzentrum
Stralsund erwarten lässt. Insgesamt sind von der Ansiedlung des Vorhabens eine
Stärkung der Kaufkraftbindung sowie eine verstärkte Kaufkraftrückholung bislang
abfließender Kaufkraft, z. B. in den möbelhändlerisch dominierenden
Stadt-Umland-Raum Rostock, zu erwarten. Die Umstrukturierung wird außerdem dazu
führen, dass der räumliche Schwerpunkt des Möbelhandels in Stralsund von der Peripherie
an das Stadtzentrum näher heranrückt und zukünftig innenstadtnah und
verkehrlich gut erreichbar sein wird.
Die Auswirkungsanalyse zeigt, dass negative raumordnerische oder
städtebauliche Auswirkungen nicht zu erwarten sind. Insgesamt sind zwar wettbewerbliche
Effekte in den zentrenrelevanten Sortimenten zu prognostizieren, ein Umschlagen
der wettbewerblichen Effekte in städtebauliche Beeinträchtigungen im Sinne
eines Funktionsverlustes sind aber weder für den zentralen Versorgungsbereich
Altstadt Stralsund noch für andere zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten.
Eine Gefährdung innerstädtischer Einzelhandelslagen und zentraler
Versorgungsbereiche ist demnach auszuschließen. Die wettbewerblichen
Auswirkungen werden zu einer Umstrukturierung des Möbelhandels zu Lasten
bestehender Möbelanbieter gehen. Auch die Versorgungsfunktion der Oberzentren
Greifswald, Rostock und Neubrandenburg im Möbelbereich wird durch das Vorhaben
in Stralsund nicht wesentlich beeinträchtigt.
2. Mit der „UNESCO-Welterbe- und Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung
für das geplante Einrichtungshaus XXXLutz und Mömax“ wurde das Büro UmweltPlan
beauftragt.
Die Konzeptideen des Vorhabenträgers zielen auf die Errichtung eines
viergeschossigen Gebäudes zur Unterbringung der beiden Möbelmärkte. Der Verkauf
soll in den ersten drei Geschossen stattfinden, während das 3. Obergeschoss als
Lager ausgebildet werden soll. Aufgrund der dafür notwendigen Gebäudehöhe von
ca. 19 m und der Lage des Plangebietes im Abstand von weniger als 1 km
um die UNESCO-Welterbestätte Historische Altstadt Stralsund und die
Denkmalbereiche Altstadt und Hafeninsel wurde zur grundsätzlichen Klärung der
Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens eine visuelle Stadtbildverträglichkeit
erforderlich.
Im Ergebnis der Visualisierung mit Stand vom November 2019 ist
festzustellen, dass der Baukörper durch die relativ einfache Fassadengestaltung
in Verbindung mit den Dimensionen kompakt und massiv und damit in Grundfläche
und Höhe unmaßstäblich im Verhältnis zu den Dimensionierungen der städtischen
Bebauung wirkt. Durch die dichte Lage des Baukörpers an der B 96 wird beim
Vorbeifahren die Raumproportion stark verändert und infolge ein „bedrängendes“
Raumerlebnis gefördert oder erzeugt.
Direkte Sichtüberlagerungen von Einrichtungshaus und historischer
Altstadtsilhouette sind bei der unmittelbaren Passage auf der Ortsumgehung am
geplanten Einrichtungshaus zu erwarten. Hier ist das Konfliktpotential aber als
gering einzustufen, da die Kirchtürme als maßgebliche Elemente der Altstadtsilhouette
kaum sichtbar sind. Die wertgebenden Sichtbeziehungen auf die Welterbestätte
von Altefähr aus oder aus dem Fahrwasser sind davon nicht betroffen, da der
Möbelmarkt von hier aus nicht sichtbar in Erscheinung tritt. Das Gutachten
kommt damit zu dem Ergebnis, dass die vom Vorhaben ausgehenden Auswirkungen als
gering bis mittel einzustufen sind, die nach der ICOMOS-Bewertungsskala eine
leicht nachteilige und damit verträgliche Gesamtauswirkung erwarten lassen.
Um die visuellen Auswirkungen auf das Stadtbild zu verringern, sollen im
Bebauungsplan gestalterische Festsetzungen zur Fassadengestaltung und zur
Zulässigkeit von Werbeanlagen getroffen werden. Das Gutachten empfiehlt eine
Gliederung des Baukörpers durch eine Höhenabstufung und eine Fassadengestaltung
zur Minderung der massiven und kompakten Wirkung des Baukörpers.
Der mit dem Antrag des Vorhabenträgers im April 2020 eingereichte
Strukturentwurf (s. Anlage 3) lässt nun eine Höhenstaffelung erkennen. So soll
der Gebäudekomplex mit Gebäudehöhen von vorrangig 18,5 m und im abgestuften
Bereich mit 12,20 m realisiert werden. Weiterhin sind Bestandteil des
Strukturentwurfes zwei Varianten zur Fassadengestaltung, von denen die Stadt
aufgrund der zurückhaltenden Werbung die Variante 1 favorisiert. Weitere
Abstimmungen dazu werden im Planverfahren erfolgen.
3. Mit der „Verkehrlichen Stellungnahme für den geplanten Bau eines
Möbelfachmarkts an der Greifswalder Chaussee in der Hansestadt Stralsund“ vom
September 2019 wurden die grundsätzlichen Auswirkungen des zusätzlich erzeugten
Verkehrs auf den bestehenden Verkehrsablauf bzw. die unmittelbar anliegenden
Verkehrsanlagen durch die HOFFMANN-LEICHTER Ingenieurgesellschaft ermittelt.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der vorhandenen
Kapazität und Dimensionierung der umliegenden Verkehrsanlagen die
verkehrstechnischen Voraussetzungen für eine leistungsfähige Erschließung des
Plangebiets gegeben sind. Es sind nach bisherigem Stand keine baulichen
Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung an den unmittelbar betroffenen Knotenpunkten
erforderlich. Um Konflikte mit dem ein- und ausfahrenden Verkehr sowie dem
Kfz-Verkehr und dem querenden Fuß- und Radverkehr zu verringern, empfiehlt das
Gutachten, den gesamten ein- und ausfahrenden Verkehr, einschließlich der
bereits bestehenden Tankstelle und der Schnellrestaurants, über eine Ein- und
Ausfahrt zu erschließen und so die bestehende Anzahl an Grundstückzufahrten an
der Greifswalder Chaussee zu reduzieren.
In dem nun vorliegenden Strukturentwurf wird dies berücksichtigt.
Weiterhin geht Entwurf davon aus, dass die Zufahrt zu den Möbelhäusern
über die Greifswalder Chaussee und die Abfahrt über die Werftstraße erfolgt.
Die Unterbringung des ruhenden Verkehrs erfolgt zum einen in einer oberirdischen
Stellplatzanlage nördlich angrenzend an das Schnellrestaurant Burger King mit
ca. 180 Stellplätzen, sowie in einer Tiefgarage unterhalb des Möbelmarktes mit
ca. 300 Stellplätzen.
Der nach § 9 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz vorgeschriebene Abstand
hochbaulicher Anlagen zu Bundesstraßen von 20 m ist bei der Planung zu
berücksichtigen.
Aufgrund der Darstellung als gewerbliche Baufläche im rechtswirksamen
Flächennutzungsplan kann die nun geplante Nutzung nicht gem. § 8 Abs. 2
BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden. Um dem Entwicklungsgebot
entsprechen zu können, müssen die Darstellungen des Flächennutzungsplans
geändert werden. Der Bereich soll nun überwiegend als Sonderbaufläche
dargestellt werden. Dazu wird der Bürgerschaftsbeschluss Nr. 2001-III-04-0514
vom 10. Mai 2001 zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 52
der Hansestadt Stralsund „Knutzen Teppichhaus an der Greifswalder Chaussee 120“
und zur Einleitung des Änderungsverfahrens für den Flächennutzungsplan aufgehoben.
Das Verfahren soll mit einem neuen Beschluss in einer geänderten Abgrenzung
eingeleitet werden.
Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens werden die Eingriffe in Natur und
Landschaft erfasst und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen festlegt.
Die Durchführung des Vorhabens und der notwendigen Erschließung dafür
wird die Hansestadt Stralsund in einem Durchführungsvertrag mit dem
Vorhabenträger regeln. In diesem Vertrag ist außerdem der Zeitrahmen für die
Realisierung zu vereinbaren.
Alternativen:
An diesem Standort besteht kein Baurecht nach § 34 BauGB für die
beschriebene Einzelhandelsentwicklung. Wenn hier ein großflächiger Möbelmarkt
entstehen soll, gibt es zur Aufstellung eines Bebauungsplanes und zur Änderung
des Flächennutzungsplanes keine Alternative.