Einreicherin: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/DIE PARTEI
Beschlussvorschlag:
Die Bürgerschaft
der Hansestadt Stralsund beschließt:
1. Ausgangslage und Dringlichkeit
Die Bürgerschaft
der Hansestadt Stralsund erkennt ohne Einschränkungen an, dass der Klimawandel und die daraus
resultierenden Folgen eine massive Bedrohung der Lebensumstände, auch in der Hansestadt Stralsund,
darstellen und die 1,5-Grad- Grenze
als nicht verhandelbares Ziel betrachtet wird.
2. Berücksichtigung
in Beratungsprozessen
Bei allen künftigen
Entscheidungen der Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund sind mögliche Effekte auf das Klima
aufzuzeigen. Die Bürgerschaft bevorzugt zukünftig
Lösungen, die sich positiv auf Klima, Umwelt und Artenschutz auswirken.
3. Konkrete Auswirkungen auf Beschlussvorlagen
Ab Januar 2020 wird
hierzu für sämtliche politische Beschlussvorlagen das Kästchen „Auswirkungen auf den Klimaschutz“
mit den Auswahlmöglichkeiten „Ja, positiv“,
„Ja, negativ“ und „Nein“
verpflichtender Bestandteil. Wird die Frage mit „Ja, positiv“ oder „Ja, negativ“ beantwortet, muss die
jeweilige Auswirkung in Zusammenarbeit mit dem/der
Klimaschutzbeauftragten in der Begründung dargestellt werden.
4. Einbeziehung
und Mitwirkung der Zivilgesellschaft
Es sind Projekte und
Veranstaltungen zur Einbeziehung der Stralsunder Bürger*innen, der Verwaltung und von Vereinen, Organisationen und
Unternehmen zu initiieren. In einem breit
aufgestellten und konstruktiven Dialog werden die Möglichkeiten zur Erreichung der Klimaschutzziele der
Hansestadt Stralsund ausgelotet
und entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Die Hansestadt Stralsund bietet mehrmals im Jahr
Informationsveranstaltungen an, um öffentlich über das Klimaschutzkonzept der Hansestadt und dessen
Umsetzungsstand zu informieren und
so allen Bürger*innen die Chance einzuräumen, sich aktiv am ökologischen Wandel in unserer Stadt zu beteiligen.
5.
Maßnahmen
zur Erreichung von CO2- und weiteren Klimagaseinsparungen
Folgende Maßnahmen werden mit
dem Ziel der beschleunigten Erreichung der Klimaschutz-
und Nachhaltigkeitsziele der Hansestadt Stralsund geprüft und der Bürgerschaft zur Beschlussfassung
vorgelegt:
a. Priorisierung und Verstetigung
von Klimaschutz-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsaktivitäten
in der Verwaltungsstruktur
Der Oberbürgermeister wird
gebeten, die Einrichtung einer Stabsstelle „Klimaschutz“ ab dem Haushaltsjahr 2020 zu prüfen, um die
verschiedenen Aktivitäten der Hansestadt
Stralsund im Bereich des Klima- und Umweltschutzes sowie zur Erreichung der bereits beschlossenen
Nachhaltigkeitsziele in der Verwaltungsstruktur zusammenzuführen und zu verstetigen.
b. Evaluation des
Klimaschutzkonzeptes und Veröffentlichung der Klimabilanz
Die Umsetzung und Anpassung
des Klimaschutzkonzeptes ist regelmäßig zu evaluieren.
Hierzu ist dem zuständigen Fachausschuss mindestens jährlich in Form einer Klimabilanz Bericht zu erstatten, um
die zeitgemäße Umsetzung der geplanten Maßnahmen
zu überwachen. Insbesondere ist im Rahmen dieser Berichte darzulegen, welche Einsparungen sich
durch bereits umgesetzte und in Planung befindliche
Maßnahmen verwirklichen lassen. Im Rahmen einer Soll-Ist-Analyse ist über die Einhaltung der Emissionsziele
sowie etwaiger Abweichungen auch durch neu
hinzugekommene Emissionsquellen zu informieren. Es ist darüber hinaus zu prüfen, ob die Umsetzung der
Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept und die dadurch
festgelegten Ziele mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens übereinstimmen. Das Ergebnis ist der
Bürgerschaft im ersten Quartal 2020 mitzuteilen.
Bis zum Ende dieses Jahres ist
zu prüfen, welche Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept
vorgezogen werden können, die Ergebnisse sind dem Ausschuss für Bau, Umwelt, Klimaschutz und Stadtentwicklung und
den Fraktionen und
Einzelbürgerschaftsmitgliedern zur Beratung vorzulegen. Parallel sollte jede Maßnahme hinsichtlich ihrer Auswirkungen
auf die Klimagaseinsparungen (insb. CO2)
elektronisch bilanziert werden, um die Klimagasbilanz der Hansestadt transparent und öffentlich einsehbar zu
machen.
c. Klimaneutrale Energieversorgung
und Energiemanagement der Stadtverwaltung
Der Oberbürgermeister wird
beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, um die Energieversorgung der Stadtverwaltung so schnell wie
möglich vollständig auf regenerative
Energien umzustellen. Hierbei ist besonders der Bezug einer zu 100% ökologischen Wärme- und Stromversorgung
zu prüfen. Die verschiedenen Möglichkeiten
und finanziellen Auswirkungen sind der Bürgerschaft zur Beschlussfassung vorzustellen. Die inhaltlich besonders
betroffenen Abteilungen der Stadtverwaltung
(z.B. ZGM, Liegenschaften etc.) werden beauftragt, weitere Vorschläge zur Energieeinsparung und zur
Weiterentwicklung des Energiemanagements
in städtischen Einrichtungen und Gebäuden zu erarbeiten und diese den Gremien der Bürgerschaft zur
Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.
d. Stadtwerke-Zielkatalog
Die SWS Stadtwerke Stralsund
GmbH wird von der Gesellschafterin aufgefordert, bis zum Frühjahr 2020 gemeinsam mit dem Klimaschutzmanager ein Konzept
vorzulegen, wie ein
schnellstmöglicher, vollumfänglicher Ausstieg der Stadtwerke aus Kohle und Kernenergie umgesetzt sowie
eine Umstellung des gesamten Strom-Mixes auf
erneuerbare Energien – auch ohne eine weitere Belastung der Verbraucher*innen – vorgenommen werden kann. Darüber hinaus
sind weitere Maßnahmen zur Dekarbonisierung
der Fernwärme und zur quartiersnahen Erzeugung und Versorgung mit regenerativer Energie/Wärme in
Neubaugebieten/ neu aufzustellenden B-Plan- Gebieten
zu entwickeln.
e. Mobilität für die Stadt
Die Stadtverwaltung wird
gebeten, bis zum Frühjahr 2020 in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Bau, Umwelt, Klimaschutz und
Stadtentwicklung ein Konzept zur kommunalen
Verkehrswende zu erarbeiten und der Öffentlichkeit sowie den Gremien der Bürgerschaft zur Diskussion vorzustellen.
Für die Haushaltsberatungen zum Haushalt
2020 wird die Stärkung des Nahverkehrs unter Berücksichtigung der folgenden Ziele vorbereitet:
- Linienerweiterung und verbesserte
Anbindung an das Umland
- Erhöhung der Taktfrequenzen
‚ - Kostensenkung oder –freiheit
Zusätzlich wird die Verwaltung
beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Bau, Umwelt, Klimaschutz und Stadtentwicklung, dem Ausschuss für
Mobilität des Landkreises und der
Öffentlichkeit/Zivilgesellschaft einen Maßnahmenplan zur Steigerung der Attraktivität des Radverkehrs
und dessen Kombination mit dem Nahverkehr
zu erarbeiten. Hierzu ist an das bestehende Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität - Stralsund
steigt um“ anzuknüpfen.
f. Nachhaltiges Bauen stärken
Soweit die Stadt im Rahmen
städtebaulicher Verträge, Grundstückskaufverträge oder Erbbaurechtsverträge über eine entsprechende Handhabe
verfügt, z.B. durch die Erstellung
eines Bebauungsplanes, wird für Neubauten eine in der Jahresbilanz klimaneutrale Energieversorgung mit
möglichst hohem Anteil lokal verfügbarer, regenerativer
Energien als Ziel angestrebt. Bei Neubauprojekten soll dargelegt werden, welche
Optimierungsmöglichkeiten bei den sogenannten „grauen Emissionen“ (Emissionen durch die Erstellung der Gebäude)
bestehen. Öffentliche Bauvorhaben
und Bauvorhaben der Hansestadt werden zukünftig nur noch entsprechend der Vorgaben zum
Nachhaltigen Bauen mit einer entsprechenden Zertifizierung
errichtet.
g. Nachhaltige und emissionsarme
Landwirtschaft
Die Hansestadt Stralsund soll
darauf hinwirken, dass bei Neuverpachtungen bzw. Pachtverlängerungen von landwirtschaftlichen Flächen
Pachtkriterien zu Grunde gelegt
werden, die einer nachhaltigen und emissionsarmen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung den Vorrang geben, so
dass es hier zur deutlichen Reduzierung von schädlichen
Emissionen kommt.
h. Reduzierung von eigenen Emissionen
Die Hansestadt Stralsund soll
in der Verwaltung und in städtischen Betrieben direkte Ursachen für Treibhausgasemissionen reduzieren, wozu insbesondere
die Vermeidung von
Inlandsflugreisen, Autofahrten und die Schaffung von zusätzlichen, rein pflanzlichen Angeboten in Kantinen etc.
gehören. Zudem kann auch die Digitalisierung
auf vielen Ebenen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Daher sollen Stadtverwaltung und städtische Betriebe durch
den Umstieg auf digitale Kommunikation
und Speicherung den Verbrauch von Papier und das Ausmaß an Fahrtwegen deutlich reduzieren.
Begründung:
Trotz
weltweiter Bemühungen über Jahrzehnte, den Ausstoß von Klimagasen zu
reduzieren, nimmt deren Konzentration Jahr um Jahr zu. Alle Maßnahmen, dem
Klimawandel entgegen zu wirken, haben bisher keinen Erfolg gezeigt. Die
Wissenschaft prognostiziert verheerende Folgen für die menschliche Zivilisation
und die Natur auf dem Planeten Erde. Der Klimawandel ist nicht bloß ein
Umweltproblem: Er ist auch ein Wirtschafts-, Sicherheits-, Tierschutz-,
Friedensund soziales Problem.
Es
kann und soll nicht erwartet werden, dass die Lösung dieses Problems alleine
durch Eigenverantwortung und von Einzelpersonen erreicht wird. Es braucht jetzt
auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene zielführende
Maßnahmen, um dieser drohenden Katastrophe entgegenzuwirken. Es ist dringend
erforderlich, jetzt auf allen Ebenen von Gesellschaft und Politik zu
effizienten und konsequenten Maßnahmen zu greifen, um die Katastrophe noch
aufzuhalten.
Weltweit haben Kommunen wie Greifswald, Los Angeles, Mailand, Vancouver,
London, Basel, Zürich, Bern, Heidelberg, Konstanz, Kiel, Herford, Münster,
Erlangen, Bochum, Ludwigslust und auch das britische, katalanische sowie das
irische Parlament den Klimanotstand ausgerufen und damit ein Signal gesetzt.)
Die Erderwärmung zieht Naturkatastrophen und massenhafte Fluchtbewegungen nach
sich. Wenn der Meeresspiegel steigt, werden die Deiche erhöht, besser ist es
jedoch, einem steigenden Meeresspiegel von Anfang an vorzubeugen. Das erfordert
Umstellungen in unserem Produktions- und Konsumverhalten. Die Erderwärmung
aufzuhalten bedeutet Gefahrenabwehr und ist eine Kernaufgabe des Staates. Die
Kommunen als wichtiger Teil des Staates haben einen merkbaren Einfluss auf das
Verhalten ihrer Bürger. Darüber hinaus treffen sie Investitionsentscheidungen,
die für das Klima relevant sind. Im Pariser Klimaschutzabkommen ist die
Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen, die
globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu halten. Die Kommunen haben
die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Erfüllung dieses Ziels zu
unterstützen.
Das wichtigste Mittel, die Erwärmung der Atmosphäre zu verhindern, ist die
Reduktion des Nettoausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen. Bereits jetzt
gibt es viele gesellschaftliche und technische Innovationen, die es uns
ermöglichen, die Lebensqualität und den Wohlstand zu erhalten und dennoch das
Ziel zu verwirklichen, die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen bis 2030
auf Null zu reduzieren. Voraussetzung ist jedoch hierfür ein entschlossenes
Umsteuern. Bisher steht fest, dass Deutschland sein selbstgesetztes Ziel der
CO2-Reduktion bis 2020 verfehlen wird. Die bisher eingetretenen Verzögerungen
rechtfertigen es, von einem Notstand zu sprechen. Dieser Tatsache will sich
Stralsund stellen und damit dem Ernst der Lage gerecht werden.