Amt: Kämmereiamt
An: Ausschuss für Finanzen und Vergabe
Betreff: Prüfauftrag
Moratorium für Grundsteuer
Mit der Beschluss- Nr. 2016-VI-09-0505 vom 01.12.2016 erging folgender Beschluss:
Die Bürgerschaft der
Hansestadt Stralsund beschließt:
Der Oberbürgermeister
wird beauftragt
1. zu prüfen, ob ein
Verzicht auf Erhöhungen der Grundsteuer B bis zur Grundsteuer-
reform rechtlich möglich ist und welche
Auswirkungen ein solcher Verzicht haben
würde,
2. den Finanz- und Vergabeausschuss über das Ergebnis der Prüfung zu informieren.
Hiermit möchte ich Sie über folgendes Prüfergebnis informieren:
Eine Grundsteuerreform wird durch die Bundesländer seit Mitte der 70er
Jahre diskutiert. Bisher konnten sich die Länder nicht einigen. Aktuell soll
auf der Grundlage einer Initiative der Länder Hessen und Niedersachsen eine
Reform der Grundsteuer in den Bundesrat eingebracht werden. Unter der
Voraussetzung, dass das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode
ihren Abschluss findet und das Gesamtmodell hinsichtlich der Umsetzungsfrist
und Ausgestaltung nicht durch noch ausstehende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
zur Grundsteuer indirekt beanstandet wird, ist eine erste Hauptfeststellung zum
01. Januar 2022 vorgesehen. Im Jahr 2027 sollen die neuen Werte dann Anwendung
finden.
Das Reformmodel beinhaltet ein dreistufiges Ermittlungssystem, wonach
-
zunächst
ein Grundsteuerwert für 35 Millionen wirtschaftliche Einheiten errechnet wird,
-
der mit
einer Steuermesszahl, die nicht zwingend eine bundeseinheitliche Messzahl sein
muss, sondern auch landesspezifisch sein kann, multipliziert wird.
-
Im
letzten Schritt kommt der gemeindliche Grundsteuerhebesatz zur Anwendung.
Künftig ist nicht mehr der gemeine Wert, sondern der Kostenwert neues
Bewertungsziel. Die Neuausrichtung des Bewertungsziels unterstreicht die
grundlegende Neukonzeption der Grundsteuer.
Erforderlich wird es außerdem sein, das Grundgesetz zu ändern, um die Gesetzgebungskompetenz
des Bundes für die Grundsteuer nach dem Gesamtmodell abzusichern. Darüber
hinaus soll den Ländern eine Kompetenz für die landesspezifischen
Steuermesszahlen eingeräumt werden. Welche Auswirkungen diese Grundsteuerreform
auf den einzelnen Steuerpflichtigen und auf die kommunalen Haushalte hat, lässt
sich derzeit nicht bestimmen.
Nach Art. 106 Abs.6 Satz 2
Grundgesetz (GG) i. V. mit § 25 Abs. 1 Grundsteuergesetz und § 16 Abs.
1 Gewerbesteuergesetz ist den Gemeinden das Recht eingeräumt worden, im
Rahmen der Gesetze, die Hebesätze festzusetzen. Dieses Hebesatzrecht entspricht
der Regelung nach Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach den Gemeinden das Recht,
alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
in eigener Verantwortung zu regeln,
eingeräumt wurde, um so auch das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung
einschließlich kommunaler Finanzautonomie auszuüben.
Hinsichtlich des Rechtes zur
Erhöhung, der Senkung oder des Verzichtes auf Erhöhung des
Grundsteuerhebesatzes in eigener Verantwortung gibt es zwar keine Grenzen, aber
die Gemeinde hat alle notwendigen Maßnahmen- sowohl auf der Ertrags- als auch
auf der Aufwandseite- zu ergreifen, um den gesetzlich vorgegebenen
Haushaltsausgleich nach § 16 GemHVO- Doppik im Rahmen der Selbstverwaltung und
kommunalen Finanzhoheit zu erreichen.
Der Landesrechnungshof und das Innenministerium M-V wiederholen stets
ihre Forderungen nach Anhebung der Hebesätze in den Gemeinden in M-V. Tenor
ist, dass die Gemeinden selbst ihre Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen sollen,
bevor sie eine bessere Finanzausstattung durch das Land fordern.
Insofern ist ein möglicher
Verzicht auf Erhöhung der Grundsteuer bis zur Grundsteuerreform zwar rechtlich im aktuellen Zeitfenster
möglich, aber immer in Abhängigkeit von der finanziellen Leistungsfähigkeit zur
Ausfüllung der kommunalen Aufgaben zu betrachten und neu zu bewerten. Eine in
die Zukunft gerichtete Bindungswirkung entsteht durch einen möglichen etwaigen
Beschluss nicht.
Die Rechtsaufsicht kann die Anhebung der Hebesätze anordnen, ohne dass
das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht
verletzt ist, wenn z.B. eine Gemeinde sich in einer finanziellen Notlage
befindet und kein anderer Weg zum Haushaltsausgleich besteht.
Die Hansestadt Stralsund hat in der Vergangenheit die Hebesätze der Grundsteuer B wie folgt festgesetzt:
1991/1992 300 v.H.
1993 400 v.H.
2008 420 v.H.
2011 500 v.H.
2016 545
v.H.
Im Ergebnis konnten für den Haushalt des Jahres 2016 durch die
Hebesatzerhöhungen gegenüber dem Vorjahr Mehrerträge von 640.083,52 EUR erzielt
werden.
Das Land MV nimmt mit den Regelungen des FAG M-V Einfluss auf die Höhe
der Hebesätze, indem Schlüsselzuweisungen nicht nach der tatsächlichen
Steuereinnahmekraft gezahlt werden, sondern
nach dem landesdurchschnittlich gewichteten Hebesatz. Das bedeutet, dass
geringere Einnahmen aufgrund niedriger Hebesätze nicht durch
Schlüsselzuweisungen ausgeglichen werden. Höhere Einnahmen aus höheren
Hebesätzen führen nicht zu geringeren Schlüsselzuweisungen.
Die Nivellierungshebesätze sind darüber hinaus auch die Basis für die
Kreisumlage. So müssen Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen einen höheren Anteil
ihrer Einnahmen an den Kreis abführen, Gemeinden mit höheren Hebesätzen einen
niedrigeren.
Die durchschnittlichen Nivellierungshebesätze hat das Land M-V für die
Grundsteuer B wie folgt festgesetzt:
Steuerkraft- Basis Finanzausgleich Nivellierungshebesatz Hebesatz
HST
Jahr Jahr
2013 2015 516 v.H. 500
v.H.
2014 2016 520
v.H. 500 v.H.
2015 2017 530
v.H. 500 v.H.
2016 2018 ff. 536 v.H. 545 v.H.
Auf den Haushalt der Stadt wirkte sich z.B. das Abweichen des
Grundsteuerhebesatzes vom Nivellierungshebesatz im Jahr 2015 durch geringere
Schlüsselzuweisungen in Höhe von 219.916 EUR und eine höhere Kreisumlage in
Höhe von 146.595 EUR im Haushaltsjahr 2017 zusätzlich zu dem geringeren
tatsächlichen Ist-Aufkommen in 2015 negativ aus.
Die Hansestadt Stralsund würde bei einem generellen Verzicht auf
Hebesatzerhöhung für die Grundsteuer bis zu deren Reform:
-
Möglichkeiten
der Einnahmesteigerungen für einen nicht abschließend bestimmbaren Zeitraum
vergeben, trotz vertraglicher Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung und der
Verpflichtung zur Wiederherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit.
-
geringere
Schlüsselzuweisungen und eine höhere Kreisumlage langfristig akzeptieren, weil
die zur Berechnung zugrunde gelegten Nivellierungshebesätze unabhängig von den
örtlichen auch in Zukunft steigen werden,
-
mittelfristig
von der Rechtsaufsichtsbehörde eine Anordnung zur Anhebung der Hebesätze zu
erwarten haben, wenn eine finanzielle Notlage besteht und kein anderer Weg zum
Haushaltsausgleich aufgezeigt werden kann.
Fazit:
Ein Verzicht auf eine Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer bis
zur Grundsteuerreform ist zwar aktuell rechtlich möglich, aber mit Blick in die
Zukunft würde ein dementsprechender Beschluss keine Bindungswirkung losgelöst
von jedweden Haushaltskonsolidierungszwängen
entfalten können und gegenüber den Steuerpflichtigen eine falsche Signalwirkung
auslösen.
Gisela Steinfurt