Betreff
Prüfauftrag Moratorium für Grundsteuer
Vorlage
ZU 0007/2017
Art
Zuarbeiten

Amt: Kämmereiamt                      

 

 

An: Ausschuss für Finanzen und Vergabe

 

 

Betreff: Prüfauftrag Moratorium für Grundsteuer

 

Mit der Beschluss- Nr. 2016-VI-09-0505 vom 01.12.2016 erging folgender Beschluss:

 

Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt

1. zu prüfen, ob ein Verzicht auf Erhöhungen der Grundsteuer B bis zur Grundsteuer-

   reform rechtlich möglich ist und welche Auswirkungen ein solcher Verzicht haben

   würde,

2. den Finanz- und Vergabeausschuss über das Ergebnis der Prüfung zu informieren.

 

Hiermit möchte ich Sie über folgendes Prüfergebnis informieren:

 

Eine Grundsteuerreform wird durch die Bundesländer seit Mitte der 70er Jahre diskutiert. Bisher konnten sich die Länder nicht einigen. Aktuell soll auf der Grundlage einer Initiative der Länder Hessen und Niedersachsen eine Reform der Grundsteuer in den Bundesrat eingebracht werden. Unter der Voraussetzung, dass das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode ihren Abschluss findet und das Gesamtmodell hinsichtlich der Umsetzungsfrist und Ausgestaltung nicht durch noch ausstehende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer indirekt beanstandet wird, ist eine erste Hauptfeststellung zum 01. Januar 2022 vorgesehen. Im Jahr 2027 sollen die neuen Werte dann Anwendung finden.

 

Das Reformmodel beinhaltet ein dreistufiges Ermittlungssystem, wonach

 

-      zunächst ein Grundsteuerwert für 35 Millionen wirtschaftliche Einheiten errechnet wird,

-      der mit einer Steuermesszahl, die nicht zwingend eine bundeseinheitliche Messzahl sein muss, sondern auch landesspezifisch sein kann, multipliziert wird.

-      Im letzten Schritt kommt der gemeindliche Grundsteuerhebesatz zur Anwendung.

Künftig ist nicht mehr der gemeine Wert, sondern der Kostenwert neues Bewertungsziel. Die Neuausrichtung des Bewertungsziels unterstreicht die grundlegende Neukonzeption der Grundsteuer.  Erforderlich wird es außerdem sein, das Grundgesetz zu ändern, um die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Grundsteuer nach dem Gesamtmodell abzusichern. Darüber hinaus soll den Ländern eine Kompetenz für die landesspezifischen Steuermesszahlen eingeräumt werden. Welche Auswirkungen diese Grundsteuerreform auf den einzelnen Steuerpflichtigen und auf die kommunalen Haushalte hat, lässt sich derzeit nicht bestimmen.

 

Nach Art. 106 Abs.6  Satz 2 Grundgesetz (GG) i. V. mit § 25 Abs. 1 Grundsteuergesetz und  § 16 Abs.  1 Gewerbesteuergesetz ist den Gemeinden das Recht eingeräumt worden, im Rahmen der Gesetze, die Hebesätze festzusetzen. Dieses Hebesatzrecht entspricht der Regelung nach Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen  Gemeinschaft in eigener  Verantwortung zu regeln, eingeräumt wurde, um so auch das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung einschließlich kommunaler Finanzautonomie auszuüben.

 

Hinsichtlich des Rechtes zur  Erhöhung, der Senkung oder des Verzichtes auf Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes in eigener Verantwortung gibt es zwar keine Grenzen, aber die Gemeinde hat alle notwendigen Maßnahmen- sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Aufwandseite- zu ergreifen, um den gesetzlich vorgegebenen Haushaltsausgleich nach § 16 GemHVO- Doppik im Rahmen der Selbstverwaltung und kommunalen Finanzhoheit zu erreichen.

 

Der Landesrechnungshof und das Innenministerium M-V wiederholen stets ihre Forderungen nach Anhebung der Hebesätze in den Gemeinden in M-V. Tenor ist, dass  die Gemeinden selbst ihre  Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen sollen, bevor sie eine bessere Finanzausstattung durch das Land fordern.

Insofern ist  ein möglicher Verzicht auf Erhöhung der Grundsteuer bis zur Grundsteuerreform  zwar rechtlich im aktuellen Zeitfenster möglich, aber immer in Abhängigkeit von der finanziellen Leistungsfähigkeit zur Ausfüllung der kommunalen Aufgaben zu betrachten und neu zu bewerten. Eine in die Zukunft gerichtete Bindungswirkung entsteht durch einen möglichen etwaigen Beschluss nicht.

 

Die Rechtsaufsicht kann die Anhebung der Hebesätze anordnen, ohne dass das gemeindliche  Selbstverwaltungsrecht verletzt ist, wenn z.B. eine Gemeinde sich in einer finanziellen Notlage befindet  und kein anderer Weg  zum Haushaltsausgleich besteht.

 

Die Hansestadt Stralsund hat in der Vergangenheit die Hebesätze der  Grundsteuer B wie folgt festgesetzt:

 

1991/1992           300 v.H.

1993                      400 v.H.

2008                      420 v.H.

2011                      500 v.H.

2016                      545 v.H.

 

Im Ergebnis konnten für den Haushalt des Jahres 2016 durch die Hebesatzerhöhungen gegenüber dem Vorjahr Mehrerträge von 640.083,52 EUR erzielt werden.

 

Das Land MV nimmt mit den Regelungen des FAG M-V Einfluss auf die Höhe der Hebesätze, indem Schlüsselzuweisungen nicht nach der tatsächlichen Steuereinnahmekraft gezahlt werden, sondern  nach dem landesdurchschnittlich gewichteten Hebesatz. Das bedeutet, dass geringere Einnahmen aufgrund niedriger Hebesätze nicht durch Schlüsselzuweisungen ausgeglichen werden. Höhere Einnahmen aus höheren Hebesätzen führen nicht zu geringeren Schlüsselzuweisungen.

Die Nivellierungshebesätze sind darüber hinaus auch die Basis für die Kreisumlage. So müssen Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen einen höheren Anteil ihrer Einnahmen an den Kreis abführen, Gemeinden mit höheren Hebesätzen einen niedrigeren.

 

Die durchschnittlichen Nivellierungshebesätze hat das Land M-V für die Grundsteuer B wie folgt festgesetzt:

Steuerkraft- Basis           Finanzausgleich               Nivellierungshebesatz                  Hebesatz HST

Jahr                            Jahr

2013                                      2015                                      516 v.H.                                              500 v.H.              

2014                                      2016                                      520 v.H.                                               500 v.H.              

2015                                      2017                                      530 v.H.                                               500 v.H.

2016                                      2018 ff.                                536 v.H.                                               545 v.H.

Auf den Haushalt der Stadt wirkte sich z.B. das Abweichen des Grundsteuerhebesatzes vom Nivellierungshebesatz im Jahr 2015 durch geringere Schlüsselzuweisungen in Höhe von 219.916 EUR und eine höhere Kreisumlage in Höhe von 146.595 EUR im Haushaltsjahr 2017 zusätzlich zu dem geringeren tatsächlichen Ist-Aufkommen in 2015 negativ aus.

 

Die Hansestadt Stralsund würde bei einem generellen Verzicht auf Hebesatzerhöhung für die Grundsteuer bis zu deren Reform:

 

-      Möglichkeiten der Einnahmesteigerungen für einen nicht abschließend bestimmbaren Zeitraum vergeben, trotz vertraglicher Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung und der Verpflichtung zur Wiederherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit.

-      geringere Schlüsselzuweisungen und eine höhere Kreisumlage langfristig akzeptieren, weil die zur Berechnung zugrunde gelegten Nivellierungshebesätze unabhängig von den örtlichen auch in Zukunft steigen werden,

-      mittelfristig von der Rechtsaufsichtsbehörde eine Anordnung zur Anhebung der Hebesätze zu erwarten haben, wenn eine finanzielle Notlage besteht und kein anderer Weg zum Haushaltsausgleich aufgezeigt werden kann.

 

 

Fazit:

Ein Verzicht auf eine Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer bis zur Grundsteuerreform ist zwar aktuell rechtlich möglich, aber mit Blick in die Zukunft würde ein dementsprechender Beschluss keine Bindungswirkung losgelöst von jedweden  Haushaltskonsolidierungszwängen entfalten können und gegenüber den Steuerpflichtigen eine falsche Signalwirkung auslösen.  

 

 

Gisela Steinfurt