Herr Buxbaum führt in die Thematik ein und übergibt anschließend das Wort an Frau Kruske vom Kommunalen Jobcenter.

 

Frau Kruske stellt kurz das Kommunale Jobcenter Vorpommern-Rügen und ihre Person vor. Im Jobcenter werden derzeit 9.400 BGs (Bedarfsgemeinschaften) mit 11.300 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten betreut. Dazu zählen Personen, die in den Bedarfsgemeinschaften leben, über 15 Jahre alt sind und mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können.

Im Eigenbetrieb Jobcenter sind etwas über 300 Mitarbeitende beschäftigt.

 

Frau Kruske selbst leitet das Kommunale Jobcenter seit Januar 2023.

 

Als langzeitarbeitslos gilt eine Person dann, wenn sie länger als 12 Monate ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung war und arbeitslos gemeldet ist.

 

Als Langzeitleistungsbezieher werden hingegen die Klienten bezeichnet, die länger als 21 Monate in 24 Monaten Leistungen beziehen.

 

Frau Kruske gibt ein Handout an die Ausschussmitglieder aus, welches verschiedene Übersichten enthält.

 

Die Leiterin des Jobcenters führt aus, dass sich der Langzeitleistungsbezug seit 2019 deutlich zurückentwickelt hat.

Bei den Langzeitarbeitslosen hingegen ist der Anteil seit November 2019 deutlich gestiegen.

 

Als Grund dafür nennt Frau Kruske, dass es im Juni 2022 einen Rechtskreiswechsel im SGB II für die aus der Ukraine Geflüchteten gab, damit sind diese Personen in den Leistungsbezug gefallen und werden durch das Jobcenter betreut. 

 

Als Langzeitleistungsbezieher gelten auch Arbeitnehmer, bei denen der Verdienst nicht ausreicht, die Familie existenzsicher zu versorgen.

 

Die geschäftspolitischen Ziele des Jobcenters richten sich nach einer Zielvereinbarung, die jährlich mit dem Land abgeschlossen wird.

Diese enthält beispielsweise eine Integrationsquote (Vermittlung von Arbeitslosen in ungeförderte, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung). 

Außerdem soll der Langzeitleistungsbezug und die Hilfebedürftigkeit der Klienten verringert werden.

Statistisch sind 27,5 % der Langzeitarbeitslosen 55 Jahre und älter. 

Fast 40 % der Langzeitarbeitslosen haben keinen Berufsabschluss. Dazu sind fast 60 % zwei Jahre oder länger arbeitslos.

 

Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärt die Leiterin des Jobcenters, dass nicht nur eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung die Arbeitslosigkeit unterbricht, sondern auch eine AGH-Maßnahme (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung) oder ein Coaching. Auch bei einer länger andauernden Krankheit von mehr als 6 Wochen gilt der Betroffene nicht mehr als arbeitslos.

 

Vermittlungshemmnisse in der Region liegen immer noch in der unzureichenden Betreuung von unter Dreijährigen, was nicht immer an fehlenden Betreuungsplätzen, sondern auch an der Einstellung mancher Familien liegt. Außerdem fehlt es oft an Qualifikationen oder diese sind zu gering. Bei Geflüchteten ist es die Sprachbarriere, auch weil große Schwierigkeiten bestehen, die Klienten in Sprachkursen unterzubringen. Auch das Sprachniveau spielt dabei eine Rolle. Ein weiteres Hemmnis besteht in körperlichen und seelischen Erkrankungen der Klienten, die deutlich zugenommen haben.

 

Zu den Flüchtlingen führt Frau Kruske aus, dass die Arbeitsmarktintegration deutlich länger dauert und auch intensiver begleitet werden muss. Eventuell vorhandene Berufsabschlüsse anerkennen zu lassen, ist kompliziert und setzt auch wieder ein entsprechendes Sprachniveau voraus. Hinzu kommt, dass einige Flüchtlinge traumatisiert sind. Außerdem ist für viele Geflüchtete die Bleibeperspektive unklar.

Nach Auffassung des Jobcenters sollten sich die Geflüchteten nach erfolgreich absolvierten Sprachkursen in die Gesellschaft integrieren und das gelingt am besten durch das Erlernen der Sprache und durch Arbeit. Für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sind viele Zwischenschritte notwendig und darum handelt es sich um einen langwierigen Prozess. 

 

Nachfolgend geht die Leiterin des Jobcenters darauf ein, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Klienten wieder in Arbeit zu bringen.

Dazu zählen Maßnahmen der beruflichen Aktivierung und Wiedereingliederung, Qualifikationen und Weiterbildungen. 

Die Angebote, die den Klienten am häufigsten unterbreitet werden, sind Coaching-Maßnahmen (45 %).

Mit dem Teilhabechancengesetz wurde 2019 ein weiteres Instrument geschaffen, um Langzeitarbeitslose zu fördern. Hier werden die Lohnkosten bis zu 100 % vom Jobcenter übernommen und die Förderung kann bis zu 5 Jahre in Anspruch genommen werden.

Beispielsweise wurden in den letzten Jahren 21 Stellen gefördert, bei denen die Hansestadt der Arbeitgeber war oder ist. 

 

Weiterhin gibt es ein internes Programm des Jobcenters, welches 2016 begonnen wurde. Das Projekt „Neue Chance“ richtet sich an Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsbezieher, die durch Mitarbeiter des Jobcenters besonders intensiv betreut werden. Durch dieses Projekt werden derzeit 250 Personen im gesamten Landkreis betreut.

 

Frau Kruske betont, dass nicht nur die Langzeitarbeitslosen und Langzeitleitungsbezieher intensiv betreut werden müssen, sondern auch die Erstantragsteller.

 

Nachfolgend geht die Leiterin des Kommunalen Jobcenters auf die Eingliederungsleistung ein, die vom Bund zur Verfügung gestellt wird.

Seit 2019 ist dieser Betrag eklatant zurückgegangen. Gleichwohl steigen die Kosten für die einzelnen Maßnahmen.

 

Frau Kruske geht noch einmal auf die Möglichkeiten ein, die den Langzeitarbeitslosen unterbreitet werden und erklärt, dass dabei der Fokus auch auf langjährigen Weiterbildungen liegt. Diese werden in der Region allerdings nicht besonders häufig nachgefragt. 

 

Der Eingliederungszuschuss wird an Arbeitgeber gezahlt, die Langzeitarbeitslose oder Langzeitleistungsbezieher einstellen, um Vermittlungshemmnisse auszugleichen.

 

Da der Bundeshaushalt für 2024 noch nicht beschlossen wurde, befindet sich das Jobcenter in der vorläufigen Haushaltsführung und kann für das laufende Jahr noch kein Budget ausweisen. Bis Ende Februar sollte das Budget bekannt sein.

 

 

Im Anschluss an die Erläuterungen zum Handout geht Frau Kruske auf die an sie herangetragenen Fragen ein.

 

  1. Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Unterstützung sehen Sie bei der Erledigung gemeinwohlorientierter Angebote in Stralsund.

 

Dazu erklärt Frau Kruske, dass das Jobcenter im gesamten Landkreis gut mit Vereinen und Trägern zusammenarbeitet. Im Rahmen der Möglichkeiten werden auch die Interessen der Träger berücksichtigt, allerdings muss das Neutralitätsgebot eingehalten werden. In vielen Bereichen wird mit Gutscheinen gearbeitet, so dass der Bürger entscheidet, mit welchem Träger er die Maßnahme durchführen will. Frau Kruske zählt die großen Träger in der Hansestadt auf, mit denen das Jobcenter 2024 zusammenarbeiten wird, darunter auch die SIC. Geplant sind ca. 15 Maßnahmen mit 56 Teilnehmerplätzen.

 

  1. Wie wird mit Bürgergeldempfängern verfahren, die nicht mehr erreicht werden können?

 

Wenn mehrere Termine von dem Bürger nicht eingehalten werden, wird der Außendienst eingeschaltet, um zu prüfen, ob die Person noch im Landkreis wohnt und weiterhin leistungsberechtigt ist.

Zum 01.04.2024 soll ein Team eingerichtet werden, welches standortübergreifend unterwegs ist und verschiedene Zielgruppen ansprechen soll. Augenmerk dabei liegt auf Alleinerziehende, Jugendliche, wo beide Elternteile im Leistungsbezug stehen, Migranten mit einem Sprachniveau von B1 bis B2 und Personen, die nach Aufforderung nicht ins Jobcenter kommen.

 

Frau Kruske schätzt, dass die Zahlen beim Terminabsentismus zwischen 20 % - 45 % liegen. Dies ist abhängig von der Jahreszeit, von der Region und anderen Faktoren, die nicht richtig greifbar sind.

 

Herr Krämer erfragt, ob die Bürger trotzdem weiter Geld erhalten, auch wenn sie nicht zum Termin erscheinen. Frau Kruske erklärt, dass es sich hierbei um ein großes Problem handelt, da das Jobcenter keine Handhabe hat. In der Vergangenheit wurden bewilligte Gelder einbehalten, allerdings ist das Jobcenter mit dieser Vorgehensweise mehrfacht vor dem Sozialgericht gescheitert, da dieses sagt, dass das Jobcenter beweisen muss, dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung nicht mehr vorliegen.

Der Einbehalt von 10 % des Geldes bei Pflichtverletzungen wird noch praktiziert, allerdings können die Betroffenen auch dagegen Beschwerde einlegen.

In der Regel wird jetzt der Bewilligungszeitraum abgewartet und dann bei Neuantrag noch einmal genau geprüft.

 

Nach Ansicht von Frau Kruske müsste sich der Gesetzgeber um eine Lösung bemühen.

 

  1. Stehen Ihnen Möglichkeiten zur Verfügung, den Erhalt des Sozialkaufhauses zu unterstützen und falls ja, welche?

 

Nach vorliegenden Informationen wird das Sozialkaufhaus durch Maßnahmen gemäß § 16 i SGB II unterstützt, diese laufen aber in 2024 aus. Denkbar wäre die Fortsetzung über § 16 e SGB II.

 

 

Herr Buxbaum beantragt Rederecht für Frau Kroß von der SIC.

Er stellt den Antrag zur Abstimmung.

 

Abstimmung: Mehrheitlich zugestimmt

 

Frau Kroß schildert ausführlich den Werdegang der SIC und deren Aufgaben. Sie sieht die Existenz der GmbH gefährdet, da nur noch ein geringer Teil der Maßnahmen (z. B. Arbeitsgelegenheiten -80 %) angeboten werden können, die das Unternehmen ausmachen. Sie bezweifelt, dass es gelingt, Personen, die 10, 12 oder 15 Jahre ohne Arbeit waren, in Weiterbildungen unterzubringen.

 

Derzeit sind über 60 Personen in den Bundesfreiwilligendienst gewechselt, die früher an AGH-Maßnahmen teilgenommen hätten. Oft sind die jetzt besetzten Tätigkeitsfelder nicht für den Bundesfreiwilligendienst ausgelegt und die Menschen werden nicht entsprechend begleitet, auch nicht, wenn die Maßnahme endet.

 

Das Teilhabechancengesetz sieht Frau Kroß als gute Möglichkeit, Langzeitarbeitslose in einem geschützten Raum zu beschäftigen, da diese oft mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Das Sozialkaufhaus, welches sehr gut angenommen wird, profitiert von dieser Möglichkeit, genauso wie das Strandbad oder der Second-Hand-Bereich. All diese Wirtschaftsteile können aber nur aufrechterhalten werden, wenn sie von Langzeitarbeitslosen ausgeführt werden.

 

Die Entscheidung, 16i-Maßnahmen nicht mehr an Träger zu vergeben, bringt die SIC, trotz ihrer gewerblichen Bereiche, in Existenzschwierigkeiten.

 

Frau Kroß bittet darum, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken und die Maßnahme eventuell mit Auflagen auch weiterhin an Träger zu vergeben.

 

 

Frau Bartel ist der Auffassung, dass sich der Landkreis in der heutigen Zeit nicht mehr dazu entschieden hätte, ein Kommunales Jobcenter einzurichten. Jobcenter mit einer anderen Struktur sind ihrer Meinung nach auch finanziell besser ausgestattet.

 

Sie plädiert dafür, die Problematik mit der SIC gesondert zu beraten. Frau Bartel wird sich dafür einsetzen, dass die SIC erhalten bleibt, um Langzeitarbeitslosen weiterhin eine Perspektive zu geben.

Sie macht deutlich, dass die Thematik auch im Kreistag diskutiert werden muss.  

 

Herr Buxbaum ist ebenfalls der Meinung, dass die SIC gebraucht wird und es sich die Stadt nicht leisten kann, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät.

 

Frau Kruske betont, dass die SIC gute Arbeit leistet und der Träger so gut es geht von dem Jobcenter unterstützt wird.

Eine Maßnahme nach § 16 i SGB II kann nicht mit Auflagen verbunden werden, da dafür die gesetzliche Grundlage fehlt. Sie stellt heraus, dass die SIC nicht der einzige Träger ist, der momentan Schwierigkeiten hat, vielmehr betrifft dies Träger im gesamten Bundesgebiet.

 

Weiterhin betont die Leiterin des Jobcenters, dass es auch weiterhin 16i-Maßnahmen geben wird, allerdings vor allem auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es handelt sich um eine sehr teure Maßnahme, die bei den sinkenden Haushaltsmitteln sowieso nur noch wenig genutzt werden kann.

 

Zu den AGHs (Arbeitsgelegenheiten) erklärt Frau Kruske, dass diese als letztes Mittel des Jobcenters genutzt werden und diese den Klienten auch nicht endlos angeboten werden können. Es können 24 Monate in 5 Jahren gefördert werden.

 

Herr Gotsch fragt, wer den Schlüssel für die Höhe des Eingliederungszuschusses festlegt, da dieser in den Jahren unterschiedlich hoch ist.

Frau Kruske erklärt, dass am Anfang des Jahres im Beitrat eine Planung aufgestellt wird, es für den Eingliederungszuschuss aber keinen Schlüssel gibt. Abhängig ist die Zahl davon, wie viele Personen eingestellt werden und wie viele Arbeitsverhältnisse davon wiederum förderfähig sind.

 

Auf Nachfrage von Herrn Gotsch betont Herr Buxbaum, dass die Situation der SIC im Blick behalten werden und diese auch weiterhin Thema im Ausschuss sein muss.

 

Der Ausschussvorsitzende erkundigt sich bei der Leiterin des Jobcenters, wie sich der örtliche Beirat zusammensetzt und was seine Aufgaben sind.

 

Dazu sagt Frau Kruske, dass sich die gesetzliche Regelung in § 18 d SGB II findet.

In dem Beirat sind Kreistagsmitglieder, Vertreter der Handwerkskammer und der Agentur für Arbeit vertreten, außerdem Vertreter der Unternehmens- und Sozialverbände.

 

 

Frau Kroß betont, dass die SIC auch weiterhin Langzeitarbeitslose beschäftigen möchte und auch für das Gemeinwesen tätig sein will, allerdings ist das schwierig, wenn Maßnahmen um mehr als 80 % gekürzt oder gar nicht mehr an Träger vergeben werden.

Momentan wird gemeinsam mit dem Land und der Agentur für Arbeit geschaut, wie Strukturen wie die der SIC erhalten bleiben können. Leider war das Kommunale Jobcenter in diesen Prozess bisher nur wenig integriert.

 

Frau Raese macht deutlich, dass die Mitglieder des Kreistages die Problematik der SIC schon seit über einem Jahr diskutieren, so sollten sich die Mitglieder des Ausschusses und die Mitglieder der Bürgerschaft mit diesen in Verbindung setzen.

 

 

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, schließt der Ausschussvorsitzende den Tagesordnungspunkt.