Anfrage:
Wie ist die Ortsüblichkeit einer Miete bzw. Pacht ermittelt worden und wurde der Gutachterausschuss zur Rechtssicherheit beteiligt?
Wie hat die Oberbürgermeister auf das Schreiben des Bürgerbeauftragten des Landes M-V vom 09.11.2023 geantwortet?
Wie gedenkt der OB einer drohenden Klagewelle entgegenzuwirken um eventuellen finanziellen Schaden von der Hansestadt Stralsund abzuwenden?
Herr Kobsch antwortet wie folgt:
bei den Schreiben der Verwaltung an die Garagennutzer
handelt es sich nicht um geplante Steigerungen der Pachten und Mieten bei den
Garagengrundstücken, sondern die Erhöhung der Entgelte ist hier durch
einseitige vertragsgestaltende Willenserklärung bereits vollzogen worden.
Das Schreiben des Bürgerbeauftragten vom 9. November 2023
hat die Verwaltung wie folgt beantwortet:
„Sehr geehrter Herr Dr.
Heidig,
bezugnehmend auf Ihr Schreiben
vom 9. November 2023 kann ich Ihnen im Auftrag des Oberbürgermeisters Folgendes
mitteilen:
1.Pachterhöhung
Der
Petent ist Eigentümer einer Garage und Mieter des dafür beanspruchten Grund und
Bodens. Dazu gehören auch die Flächen um das Garagenbauwerk einschließlich der
Zufahrtswege. Dafür hat die Hansestadt Stralsund mit Schreiben vom 27.
September 2023 das Nutzungsentgelt auf 480 Euro jährlich angehoben.
Ihre
Annahme, dass nur für vermietete bzw. verpachtete Garagenbauwerke dieses
Entgelt erhoben wird, ist nicht richtig. Eine Unterscheidung zwischen
Stellflächenmietern bzw. – pächtern und Mietern bzw. Pächtern der
Garagenbauwerke (einschließlich Stellfläche) erfolgt nicht, da die Garagen sich
in einem baulichen Zustand befinden, dass diese rein betriebswirtschaftlich
betrachtet, keinen positiven Wert haben.
Die
zu erwartenden Kosten für den Rückbau der Garagen übersteigen die noch möglichen
Einnahmen aus der Bewirtschaftung deutlich, da die noch zu erwartende
Lebensdauer der Bauwerke absehbar und relativ gering ist. Die Kosten für den
Rückbau hingegen sind sehr hoch, da es sich hier auch um mit Schadstoffen
belastete Materialien handelt, die gefährliche Abfälle sind. Mit den Einnahmen
kann also der später notwendige Rückbau nicht finanziert werden.
Hinzu
kommt, dass es auch zahlreiche Fälle gibt, die nicht unter das
Schuldrechtsanpassungsgesetz fallen, bei denen die Hansestadt Stralsund in den
vergangenen zehn Jahren nach einem Eigentümerwechsel die Vermietung bzw.
Verpachtung der Stellfläche für 480 Euro jährlich vereinbarte. Auch darüber
lässt sich die Ortsüblichkeit der Miet- bzw. Pachthöhe ableiten.
2. Entschädigung bei
Nutzungsaufgabe
Wie
bereits in dem von Ihnen angeführten Schreiben dargelegt, geht die Hansestadt
Stralsund davon aus, dass sich der Verkehrswert des betreffenden Grundstücks
nicht durch den Eigentumsübergang des Garagenbauwerks erhöht hat. Der Grund
dafür liegt vor allem – wie schon unter Punkt 1 beschrieben – in den hohen
Rückbaukosten für die Garagen, wenn die Nutzung des Bauwerkes endet.
Ein
von der Petentin in Auftrag zu gebendes Gutachten wird nach meiner Auffassung
bestätigen, dass das Garagenbauwerk nur eines negativen Wert hat. Deshalb hat
die Hansestadt Stralsund bislang keinen Garagennutzer entschädigt.
Falls
Sie weiterhin der Auffassung sind, dass sich die Hansestadt Stralsund in diesen
Fällen rechtswidrig verhalten hat, können Sie Ihren Petenten ja den Rechtsweg
empfehlen. Dafür haben wir ja seit über 30 Jahren auch in den neuen
Bundesländern den Rechtsstaat, zu deren wesentlichen Säulen auch die
Überprüfung der Sachverhalte durch unabhängige Gerichte gehört. Eine
Verpflichtung der Hansestadt Stralsund, den Bürgern bei der Durchsetzung der
von ihnen behaupteten Rechte – noch dazu gegen ihre eigene Verwaltung –
behilflich zu sein, ergibt sich entgegen Ihrer Behauptung nicht aus der
Regelung des Art. 20 des Grundgesetzes.“
Die
Schreiben zur Erhöhung der Nutzungsentgelte enthalten folgende Textpassage:
„Die
ortsübliche Miete bzw. Pacht für Garagengrundstücke in Stralsund liegt aktuell
bei jährlich mindestens 480,00 EUR. Die Hansestadt Stralsund vermietet bzw.
verpachtet mittlerweile seit mehreren Jahren Garagengrundstücke regelmäßig zu
diesen Konditionen. Die von Ihnen zu entrichtende Miete bzw. Pacht liegt unter
dem ortsüblichen Nutzungsentgelt, was eine Anpassung Ihres Vertrages mit der
Hansestadt Stralsund erforderlich macht.“
Damit hat die Verwaltung die Forderung
aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Nutzungsentgeltverordnung, dass mit dem
Erhöhungsverlangen anzugeben ist, dass die ortsüblichen Entgelte nicht
überschritten werden, erfüllt. Eine gesetzliche Verpflichtung, dass die
Verwaltung gegenüber den Garagennutzern nachvollziehbar erklären muss, wie die
Ortsüblichkeit konkret ermittelt wurde, gibt es dagegen nicht.
Der Bürgerschaft wurde aber
bereits auf ihrer Sitzung am 19. Oktober 2023 sowie im Ausschuss für Finanzen
und Vergabe am 7. November 2023 erläutert, wie die Verwaltung die
Ortsüblichkeit der Nutzungsentgelte ermittelt hat. Herr Kobsch geht noch einmal
darauf ein, wie die ortsübliche Miete ermittelt wurde.
Ortsüblich
sind nach § 3 Abs. 2 Nutzungsentgeltverordnung Entgelte, die nach dem 2.
Oktober 1990 in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für Grundstücke
vergleichbarer Art, Größe, Beschaffenheit und Lage vereinbart worden sind. Für
die Vergleichbarkeit ist die tatsächliche Nutzung unter Berücksichtigung der
Art und des Umfangs der Bebauung der Grundstücke maßgebend.
Vorliegend
hat die Stadtverwaltung in den vergangenen zehn Jahren über 700 Verträge zu
einem jährlichen Nutzungsentgelt i.H.v. 480 EUR bzw. 240 EUR (für die
Garagenkomplexe am Flugplatz sowie an der Rostocker Chaussee) abgeschlossen. Nach
der dadurch nunmehr eingetretenen Marktdurchdringung bei Neuvermietungen kann
von einer Marktüblichkeit der Nutzungsentgelte in Höhe von 480 EUR bzw. 240 EUR
ausgegangen werden.
Der Gutachterausschuss wurde bei
der Ermittlung der Ortsüblichkeit nicht beteiligt. Dies würde aber auch zu
keinem anderen Ergebnis führen, denn dort liegen nur die Angaben zu den Miet-
und Pachtverträgen mit der Hansestadt Stralsund vor.
Die Bedenken des
Bürgerbeauftragten werden nicht geteilt. Bislang hat keiner der 1.480 betroffenen
Garagennutzer gegen die Entgelterhöhung geklagt. Solange kein Gericht die
Rechtswidrigkeit der Entgelterhöhung feststellt, geht die Verwaltung davon aus,
dass die vorgetragenen Bedenken unbegründet sind und zu keinen Konsequenzen
führen.
Herr Quintana Schmidt erfragt,
wie viele Verträge es insgesamt gibt.
Herr Kobsch erklärt, dass die
Ortsüblichkeit nach den neu abgeschlossenen Verträgen ermittelt wurde.
Insgesamt gibt es 2.585 Garagenverträge.
Herr Quintana Schmidt ist der
Auffassung, dass bei insgesamt 2.500 Verträgen nicht 700 dazu ausreichen, die
Ortsüblichkeit festzustellen, da dann bei 75 % die Mieten anders aussehen.
Die Verwaltung ist nach Aussage
von Herrn Kobsch anderer Auffassung. Demnach sei der Markt durchdrungen, wenn
700 Pächter bzw. Mieter die neuen Verträge unterzeichnen und sich damit mit den
Bedingungen einverstanden erklären.
Herr Paul lässt über die
beantragte Aussprache abstimmen.
Abstimmung: Mehrheitlich
beschlossen
2023-VII-11-1259
Herr Quintana Schmidt erkundigt sich,
wie viele Verträge nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz zu behandeln sind.
Herr Kobsch führt aus, dass
schätzungsweise 90% der 700 Verträge unter das Schuldrechtsanpassungsgesetz
fallen.
Herr Suhr geht auf die Sitzung
der Bürgerschaft vom 16.11.2023 ein. In der Sitzung wurde angeregt, dass durch
die Verwaltung nachvollziehbar darzustellen sei, wie die Ortsüblichkeit
ermittelt wurde. Außerdem wurde die Verwaltung beauftragt, die Rechtsaufsicht
hinsichtlich einer etwaigen stufenweise Erhöhung der Entgelte um
Rechtsauffassung zu bitten. Herr Suhr erfragt dahingehend die Sachstände.
Herr Kobsch verweist auf die in
der Bürgerschaft und im Fachausschuss getätigten Aussagen zur Ermittlung der
Ortsüblichkeit.
Nachfolgend verliest er Teile der
Antwort des Innenministeriums M-V auf die Anfrage der Hansestadt Stralsund:
1.
Das Vorgehen der Hansestadt für die in den
Anwendungsbereich der Nutzungsentgeltverordnung fallenden Verträge ist
rechtsaufsichtlich nicht zu beanstanden.
2. Für Garagenflächen dürfen die Entgelte bis zur Höhe der ortsüblichen Entgelte erhöht werden. Eine stufenweise Erhöhung ist für Garagengrundstücke nicht vorgesehen.
3. Die Nutzungsentgeltverordnung gibt keine zeitlichen Mindestabstände vor, in denen einzelne Entgelterhöhungen zu erfolgen haben.
4. Es ist nicht vertretbar, zur „Wahrung des sozialen Friedens“ eine pauschale Unterwertüberlassung in Form einer gestaffelten Entgelterhöhung für die Inhaber/-innen von Garagen-Altverträgen als im besonderen öffentlichen Interesse anzuerkennen.
5. Eine gestaffelte Entgelterhöhung für alle Garagen-Altvertragsinhaber dürfte auch mit dem seitens der Hansestadt zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sein.
Auf Nachfrage von Herrn Suhr
kündigt Herr Kobsch an, den Fraktionen die Antwort des Innenministeriums zur
Verfügung zu stellen.
Herr Buxbaum stellt fest, dass
bereits ca. 80 Garagennutzer ihre Verträge gekündigt haben. Dies könne nicht
Ziel der Hansestadt Stralsund sein.
Herr Hofmann bittet um
Klarstellung, dass die Bürgerschaft keine Möglichkeit hinsichtlich der Erhöhung
der Garagenentgelte habe, sondern den Nutzern nur der Klageweg eröffnet sei.
Herr Kobsch bestätigt die
Aussage, da die Erhöhung mit Zustellung der Anpassung vollzogen ist.
Auf Nachfrage von Herrn Hofmann
führt Herr Kobsch aus, dass die Garagen aus betriebswirtschaftlicher Sicht
keinen Wert haben. Die Einnahmen aus der Vermietung / Verpachtung reichen
nicht, um etwaige Kosten für einen möglichen erforderlichen Abriss zu decken.
Nach Ansicht von Herrn Quintana
Schmidt stellt eine ausbleibende Beteiligung des Gutachterausschusses und
fehlende Informationen an die Betroffenen einen negativen Umgang der Verwaltung
mit den Bürgerinnen und Bürgern dar. Er hält es für nicht ausgeschlossen, dass
durch dieses Verhalten eine Klagewelle provoziert werde.
Herr Dr. Zabel stimmt dem
Anschein der mangelnden Transparenz zu. Er erfragt, ob grundsätzlich die
Möglichkeit bestehe, ein unabhängiges und rechtlich überprüfbares Gutachten zur
Vergleichsmiete zu beauftragen.
Herr Kobsch entgegnet, dass, dem
Gesetztext folgend, gegebenenfalls der Gutachterausschuss eingeschaltet werden
könnte.
Auf Nachfrage von Herrn Dr.
Zabel, wie die Transparenz hergestellt werden könne, verweist Herr Kobsch auf die
Möglichkeit der Fraktionen auf Akteneinsicht nach Kommunalverfassung M-V.
Er stellt wiederholt klar, dass
das Verfahren mit Zustellung des Erhöhungsbescheides abgeschlossen sei.
Der Oberbürgermeister teilt mit,
dass bei den Neuvermietungen ein Entgelt von 480 € erzielt werde. Auch die
Ausführungen des Innenministeriums lassen keine anderen Optionen zu. Er sei
gehalten, sich an die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu halten.
Der Oberbürgermeister schildert
die Situation, dass andernfalls die Entgelte dann auch für die 700 Verträge zu
480 € angepasst werden müssten.
Herr Suhr geht auf die Option
einer schrittweisen Anpassung ein, die nach seinem Verständnis gemäß Aussage
der Verwaltung nicht möglich sei.
Herr Dr.-Ing. Badrow verweist auf
die Antwort des Innenministeriums, wonach eine Unterwertveräußerung nicht
zulässig sei. Ihm stehe als Oberbürgermeister kein rechtlicher Rahmen für eine
andere Lösung zur Verfügung.
Für Herrn Suhr sei es eine
Kernfrage für die Bürgerschaft, ob eine stufenweise Anpassung tatsächlich
gänzlich ausgeschlossen sei. Die Antwort des Innenministeriums klinge
dahingehend recht vage.
Herr Kobsch wiederholt, dass das
Verfahren mit Zustellung beendet sei.
Herr Quintana Schmidt beantragt
für die Fraktion DIE LINKE./SPD Akteneinsicht in der Angelegenheit.
Es besteht kein weiterer
Redebedarf.