Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

1.    Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund empfiehlt dem Oberbürgermeister, zur Wahrung des sozialen Friedens auf die drastische Erhöhung der Garagenpachten ab 01.01.2024 zu verzichten und stattdessen bei den Altverträgen eine verträgliche Erhöhung, gestaffelt auf drei Jahre, vorzunehmen.

2.    Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit der Rechtsaufsichtsbehörde zu klären, ob in Bezug auf die zum 01.01.2024 ausgesprochene Anpassung der Garagenentgelte ein besonderes öffentliches Interesse angenommen werden kann, damit eine Unterwertüberlassung möglich ist.

 


Herr Haack begründet den Antrag. Nach Ansicht der Fraktion Bürger für Stralsund handelt es sich bei der Erhöhung der Garagenentgelte um ein laufendes Geschäft der Verwaltung. Der Bürgerschaft steht damit keine Heranziehungskompetenz zu.

Andernfalls müsste der Oberbürgermeister derartigen Beschlüssen widersprechen.

Der vorliegende Beschlussvorschlag spricht daher eine Empfehlung aus, dass der Oberbürgermeister eine einvernehmliche Lösung im Interesse aller Stralsunderinnen und Stralsunder finden möge.

Herr Haack wirbt um Zustimmung zum Antrag.

 

Herr Quintana Schmidt beantragt im Namen der Fraktion DIE LINKE./SPD Rederecht für den von der Erhöhung der Garagenentgelte Betroffenen Herrn Jörg Schulz.

Er berichtet zudem, dass im Ausschuss für Finanzen und Vergabe durch die Verwaltung mitgeteilt worden sei, dass der Bürgerschaft durchaus eine Heranziehungskompetenz zustehe.

 

Auf Nachfrage von Herrn Paul erklärt Herr Schulz sein Einverständnis zu den stattfinden Bild- und Tonaufnahmen.

Der Präsident lässt über das beantragte Rederecht für Herrn Jörg Schulz abstimmen:

 

Abstimmung: Einstimmig beschlossen

2023-VII-10-1238

 

Herr Pieper geht als Vorsitzender des Ausschusses für Finanzen und Vergabe auf den eingereichten Änderungsantrag ein.

 

Nach Auffassung von Herrn Suhr bedarf es der ausdrücklichen Klarstellung seitens der Verwaltung, ob eine Heranziehung der Angelegenheit durch die Bürgerschaft möglich sei. Er geht davon aus, dass die Intention eines abgestuften Verfahrens innerhalb der Bürgerschaft Konsens finden könne.

 

Einleitend zur Thematik geht Herr Dr. Zabel auf den Dringlichkeitsantrag der Fraktion CDU/FDP zur Bürgerschaftssitzung vom 19.10.2023 ein.

Zu einer gestaffelten Erhöhung bestätigt er die Einschätzung von Herrn Suhr, dass dahingehend Einigkeit in der Bürgerschaft bestünde.

Nach Auffassung der Fraktion CDU/FDP bestehe die Problematik darin, wie die Rechtsaufsichtsbehörde mit Beschlüssen der Bürgerschaft zur Angelegenheit umgehe.

Vor diesem Hintergrund stellt er nachfolgenden Änderungsantrag:

 

„Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, unverzüglich bei der Rechtsaufsicht Auskunft einzuholen, ob eine sozialverträgliche, gestaffelte Anpassung der Garagenentgelte durch ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 2 KV M-V gerechtfertigt werden kann und eine Ausnahme vom Gebot der Vollwertüberlassung möglich ist.

Sobald diese Voraussetzungen für eine gestaffelte Entgeltanpassung vorliegen, soll die jüngste Entgelterhöhung abgeändert und stattdessen die Anpassung an den Vollwert stufenweise bis zum Jahr 2026 erfolgen. Ab dem Jahr 2027 sollen die Nutzungsentgelte dann regelmäßig auf ihre Angemessenheit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.“

 

Sollte das Innenministerium dem Anliegen widersprechen, appelliert Herr Dr. Zabel, die konkrete Mittelverwendung der Mehreinnahmen erneut zu prüfen.

 

Herr Jörg Schulz nimmt als Vertreter der von der Entgelterhöhung Betroffenen Stellung.

Demnach sei es fraglich, wie die Verwaltung auf eine Erhöhung um 380% komme.

Herr Schulz merkt an, dass eine Vermischung von Miete und Pacht im Kontext der Angelegenheit nicht korrekt sei.

Grundsätzlich werde die herangezogene Ortsüblichkeit angezweifelt. Darüber müsse ein Ausschuss befinden.

Herr Schulz geht nachfolgend auf die Eigenleistungen der Garagenpächter ein.

Aus seiner Sicht gäbe es kaum Einwände gegen die Entgelterhöhung, sofern die Ortsüblichkeit nachgewiesen wird. Die Beweislast trage die Verwaltung.

Herr Schulz bittet um Unterstützung, die vorgesehene Entgelterhöhung, zumindest bis zum Nachweis der Ortsüblichkeit, auszusetzen.

Er weist darauf hin, dass die Bodennutzungsentgelte in anderen vergleichbaren Kommunen wesentlich geringer seien.

Herr Schulz stellt klar, dass keiner der Betroffenen Einwände gegen eine Entgelterhöhung habe, aber nicht in diesem Maße.

 

Für das Rechtsamt erläutert Herr Kellotat, dass die Kommunalverfassung vorgebe, grundsätzlich zum Vollwert Grundstücke zu überlassen. Der entsprechende Sollwert wäre die Ortüblichkeit der Überlassungsentgelte.

Nach Wahrnehmung von Herrn Kellotot scheint Wille der Bürgerschaft zu sein, unter diesem Wert zu bleiben bzw. eine Staffelung, eine sogenannte temporäre Unterwertüberlassung, vorzunehmen.

Hinsichtlich der Überlassung von Grundstücken gibt es keine näheren Ausführungen in der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung M-V (KV M-V). Demnach wäre eine Abweichung von § 56 KV M-V nur möglich, wenn ein besonderes öffentliches Interesse festgestellt wird. Bei dem Begriff „besonderes öffentliches Interesse“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der ordnungsgemäß ausgelegt werden müsse. Sollte dies nicht erfolgen können, bestehe das Risiko, dass eine Unterwertüberlassung rechtswidrig wäre.

Herr Kellotat führt weiter aus, dass es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handele, zu dem kein Ermessensspielraum bestehe.

Trotz Heranziehung von Fachliteratur und Rechtsprechung sei es seitens des Rechtsamtes nicht möglich, eine rechtssichere Auslegung des Begriffes „besonderes öffentliches Interesse“ herzustellen. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass ein Beschluss zur Unterwertüberlassung rechtswidrig wäre.

Herr Kellotat stellt klar, dass laufende Geschäfte der Verwaltung durch die Bürgerschaft nicht herangezogen werden können. Möglich wäre das Aufstellen von Richtlinien zum Umgang mit Grundstücksüberlassungen, jedoch nur über das Mindestmaß hinaus.

 

Herr Dr. Zabel erfragt, wie die Ortsüblichkeit bestimmt wird.

 

Herr Kellotat erläutert, dass hinsichtlich der Nutzungsverträge, die nach DDR-Recht abgeschlossen wurden, gemäß Nutzungsentgeltverordnung die Benennung von drei Grundstücken ausreichend seien.

Gemäß Bundesfinanzhof kann die Ortsüblichkeit aus Vergleichsentgelten, aus Mietspiegeln, mit Hilfe einer Entgeltdatenbank oder durch Gutachten ermittelt werden.

Dahingehend könne ein Analogieschluss gezogen werden.

In entsprechender analoger Anwendung der gesetzlichen Regelungen zum Mietspiegel für Wohnraum gemäß BGB, wären die Neuabschlüsse der letzten sechs Jahre heranzuziehen. Übertragen auf die städtischen Garagengrundstücke bedeutet dies, dass ca. 700 Abschlüsse aus den vergangenen Jahren herangezogen werden könnten, woraus sich die Marktüblichkeit/Ortsüblichkeit ableiten ließe.

 

Herr Suhr fasst zusammen, dass die Ausführungen der Verwaltung eher für die Änderungsanträge der Fraktion CDU/FDP bzw. des Ausschusses für Finanzen und Vergabe sprechen.

Aus seiner Sicht müsse die zentrale Frage rechtssicher geklärt werden, ob die Ortsüblichkeit tatsächlich bestehe.

Herr Suhr verweist außerdem auf eine Stellungnahme des Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Es sei aus Sicht von Herrn Suhr sinnvoll, sich die Rechtslage unter Beteiligung der Betroffenen genau erläutern zu lassen und dann eine Entscheidung zu treffen.

Er empfiehlt, dem Antrag des Ausschusses für Finanzen und Vergabe zu folgen, da nach den Ausführungen auch eine Staffelung der Entgelterhöhung rechtswidrig wäre.

 

Nach Auffassung von Herrn Kellotat ist der Antrag des Ausschusses für Finanzen und Vergabe fehlerhaft. Die darin aufgeführte Norm in Ziffer 1 so existiere nicht.

Zur Ziffer 2 merkt er an, dass die Voraussetzungen für eine Unterwertüberlassung noch nicht vorliegen. Darüber hinaus sei die Anpassung der Nutzungsentgelte bereits erfolgt, da es sich um eine einseitige Willenserklärung handele, die den Betroffenen bereits zugegangen sei. Demnach wäre eine erneute Vertragsänderung erforderlich.

Das Ansinnen des Antrags sei nachvollziehbar, gleichwohl könne dem nicht gefolgt werden.

 

Auf Nachfrage von Herrn Haack stellt Herr Kellotat wiederholt klar, dass eine Heranziehung der Angelegenheit durch die Bürgerschaft nicht möglich sei.

 

Diese Antwort ist für Herrn Haack ausschlaggebend. Es bestehe Einigkeit in der Bürgerschaft, die Angelegenheit im Interesse der Betroffenen zu klären. Der Ursprungsantrag sei keine Beauftragung, sondern eine Empfehlung an den Oberbürgermeister, eine entsprechende rechtskonforme Lösung herbeizuführen.

 

Herr Dr. Zabel schildert das Dilemma, dass Entscheidungen des Oberbürgermeisters gegebenenfalls zu Problemen mit der Rechtsaufsicht führen könnten. Nach den bisherigen Ausführungen erscheint eine durch die Bürgerschaft beschlossene Aussetzung der Nutzungsentgelterhöhung ebenfalls nicht möglich. Der Oberbürgermeister könne jedoch beauftragt werden, die Rechtmäßigkeit etwaigen Handelns durch die Rechtsaufsichtsbehörde im Vorfeld prüfen zu lassen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

 

Herr Quintana Schmidt wendet in der Diskussion ein, dass die Hansestadt Stralsund nach seinem Verständnis in den vergangenen Jahren dann auch gegen geltendes Recht verstoßen habe, indem keine Entgeltanpassung vorgenommen wurde. Dies führte nicht zu Problemen mit der Rechtsaufsicht.

Er beantragt eine Auszeit, um einen Austausch unter den Fraktionen zu ermöglichen.

 

 

Auszeit: 17:37 Uhr bis 17:55 Uhr

 

 

Herr Dr. Zabel berichtet, dass die Auszeit genutzt wurde, um eine Einigung unter den Fraktionen der Bürgerschaft herbeizuführen.

 

Der Präsident verliest den Konsens:

 

„Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

1.    Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund empfiehlt dem Oberbürgermeister, zur Wahrung des sozialen Friedens auf die drastische Erhöhung der Garagenpachten ab 01.01.2024 zu verzichten und stattdessen bei den Altverträgen eine verträgliche Erhöhung, gestaffelt auf drei Jahre, vorzunehmen.

2.    Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit der Rechtsaufsichtsbehörde zu klären, ob in Bezug auf die zum 01.01.2024 ausgesprochene Anpassung der Garagenentgelte ein besonderes öffentliches Interesse angenommen werden kann, damit eine Unterwertüberlassung möglich ist.“

 

Herr Dr. Zabel regt an, dass die Verwaltung im Interesse der Betroffenen darüber hinaus nachvollziehbar darstellt, wie die Ortsüblichkeit der Grundstückswerte konkret ermittelt wurde.

 

Herr Kuhn schlägt vor, den noch bestehenden Garagengemeinschaften anzubieten, den jeweiligen Garagenkomplex zu kaufen und nachfolgend selbst zu verwalten.

 

Herr Kellotat bestätigt die rechtliche Möglichkeit.

 

Herr Paul stellt den als Konsens vorliegenden Beschlussvorschlag zur Abstimmung:

 


Abstimmung: Einstimmig beschlossen