Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anfrage:

 

1.    Hat sich die Praxis der Genehmigung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen im denkmalgeschützten Altstadtbereich verändert und wenn ja, nach welchen Kriterien?

2.    Unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen sieht die Stadtverwaltung die Möglichkeit zur Installation von Mikro-Photovoltaik-Anlagen (sog. Balkonsolaranlagen) auch im Altstadtbereich Stralsunds, ohne den Welterbestatus zu gefährden?

 

Herr Dr. Raith beantwortet die Fragen wie folgt:

 

zu 1.:

Bei der Genehmigung von Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen sind die Regelungen der Stadtverordnung Denkmalbereich „Altstadt Stralsund“ und der zum Schutz des UNESCO-Welterbes erlassenen Gestaltungssatzung einschlägig. Das überlieferte historische Erscheinungsbild der Altstadt wird maßgeblich geprägt durch Form und Deckung der Dächer, Fassaden, der charakteristische Gesamteindruck der kleinteiligen Dachlandschaft in Materialität und Farbigkeit. Als hohe Schutzgüter repräsentieren sie die Merkmale und die Authentizität der UNESCO-Welterbestätte Altstadt.

 

Anträge auf Zulassung wurden und werden in jedem Einzelfall in Bezug auf das denkmalschutzrechtliche Ziel der weitgehenden Freihaltung der historischen Dachlandschaft geprüft. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Verbandes der Landesdenkmalämter gelten folgende Grundsätze bei einer Genehmigungsprüfung: Die Flächen dürfen nicht vom öffentlichen Raum aus einsehbar sein. Zu berücksichtigen sind dabei auch mögliche Blickbeziehungen von den öffentlich begehbaren Stadtkirchen. Die statische und brandschutztechnische Unbedenklichkeit insbesondere für historische Dachwerke ist nachzuweisen. Ein größerer Ermessensspielraum besteht bei Flachdächern und Nebengebäuden. Solaranlagen sind möglichst flächig, bündig sowie reversibel in die Dachfläche zu integrieren, mit matten Oberflächen und dunklen Konstruktionsteilen, u.U. farblich angepasst oder als Verbundmodell in Ziegeln auszuführen.

 

Vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetzgebung ist der Abwägung, in wie weit der denkmalrechtlich begründete weitgehende Ausschluss von Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen im Altstadtbereich im Rahmen von Abweichungen oder Befreiungen überwunden werden kann, größeres Gewicht beizumessen. In dem mit Wirkung zum 29. Juli 2022 neu gefassten § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) heißt es etwa zur besonderen Bedeutung der erneuerbaren Energie: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“

 

Auf Seiten der Denkmalpflege ist anzuführen, dass der Schutz nicht nur auf einem nationalen Denkmalschutzgesetz beruht, sondern auf dem internationalen Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972, das 1975 in Kraft trat. In Deutschland wurde es 1977 durch Bundesgesetz ratifiziert. Die beigetretenen Staaten verpflichten sich, das auf ihrem Gebiet befindliche Welterbe selbst zu erfassen, zu schützen und zu erhalten. Die Bedeutung wird schon statistisch in der extremen Seltenheit der Welterbestätten sichtbar: schließlich sind in Deutschland nur 51 Stätten als Welterbe gelistet - darunter befinden sich neben Stralsund und Wismar lediglich 5 weitere historische Altstädte (Lübeck, Goslar, Bamberg, Quedlinburg, Regensburg).

 

Herr Dr. Raith wagt daher die Prognose, dass sich die Belange des Klimaschutzes bei vielen („normalen“) Einzeldenkmälern in Zukunft durchsetzen werden und es hier wahrscheinlich eher um das „wie“ als um das „ob“ einer Ausstattung mit Photovoltaik gehen wird. Die wenigen exemplarischen Welterbestätten werden jedoch - ohne relevante Einbußen für den Klimaschutz - ausgespart bleiben müssen.

 

zu 2.:

Auch für Mikro-Photovoltaik-Anlagen gilt der Grundsatz, dass sie nicht vom öffentlichen Raum einsehbar sein dürfen. Sie stellen aufgrund ihres Materials und Farbigkeit einen Fremdkörper am Gebäude dar, der geeignet ist, das Erscheinungsbild der Fassaden innerhalb der historischen Altstadt wesentlich zu beeinträchtigen.

Die sog. „Balkonkraftwerke“ benötigen in der Altstadt eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung, so dass eine Prüfung und Steuerung der Verträglichkeit mit dem Welterbe gesichert ist.

 

Frau Fechner dankt für die Beantwortung. Sie erkundigt sich, wann mit einer Aufweichung der bestehenden Regelungen zu rechnen ist.

 

Herr Dr. Raith wiederholt, dass zwei rechtliche Belange zu berücksichtigen sind, Klimaschutz und Welterbestätten. Die Belange der extrem seltenen Welterbestätten sind nicht vergleichbar mit dem normalen Denkmalschutz eines Einzeldenkmals. Aus seiner Sicht wird sich die Abwägung aufgrund der sehr seltenen Welterbestätten nicht eindeutig für den Klimaschutz neigen.

 

Herr Suhr erfragt, wo eine verträgliche Umsetzung erfolgen könnte.

 

Herr Dr. Raith führt aus, dass eine Umsetzung an den Stellen zulässig ist, die nicht sichtbar sind. Dies gilt für die bereits existenten Anlagen und wird auch zukünftig so gehandhabt werden. Er geht wiederholt auf das sehr hohe Schutzniveau der Welterbestätten ein.

 

Der Oberbürgermeister erklärt, dass in der Hansestadt Stralsund sinnvolle und effiziente Projekte umgesetzt werden. Die Nutzung der Photovoltaik wird an anderen Standorten sukzessive ausgebaut.

 

 

Auf die beantragte Aussprache wird verzichtet.