Der Ausschussvorsitzende erteilt zunächst dem Vizepräsidenten der IHK zu Stralsund das Wort. Herr Grundke führt für den Einzelhandel aus, dass insgesamt eine positive Stimmung vorherrscht, auch wenn die Abläufe entgegen normaler Verhältnisse z. B. durch die Teststrategie behindert werden und die Geschäfte nicht auf dem Niveau des Vorjahres sind. Nach seiner Ansicht waren für den Einzelhandel die vorgenommenen Lockerungen seitens der Landesregierung zu zögerlich, was den schleppenden Start begründet und einen Nachteil gegenüber schneller agierenden Bundesländern darstellt.

 

Mit Blick in die Zukunft erläutert Herr Grundke, dass im Zusammenwirken der IHK und der Handwerkskammer ein Katalog erarbeitet wird, mit dem die Landespolitik gemeinsam zu notwendigen Maßnahmen aufgefordert werden wird.

Als wichtige lokale Aufgabe sieht Herr Grundke die Unterstützung insbesondere kleinerer Unternehmen im Bereich der Digitalisierung, wofür bei der IHK eine Stelle „Digitalpate“ besetzt werden wird. Die Umsetzung erfolgt dabei unter Mitarbeit der Hansestadt Stralsund und des SMV e. V.. Wichtig wird sein, die Präsenz im Internet deutlich zu erhöhen. Hierzu wäre die Kooperation mit einer der großen Plattformen denkbar, was aber auch die Bereitschaft der Händler hierzu und deren Bewusstsein über die verändernden Auswirkungen auf das jeweilige Unternehmen im Gegensatz zum stationären Einzelhandel bedingt. Es ist davon auszugehen, dass sich das Bild in der Innenstadt wandeln wird und mehr Flächen für Kultur und Freizeit vorhanden sein werden. Dringend erforderlich sieht Herr Grundke entsprechend intelligente Konzepte für die nächsten Jahre, deren Entwicklung kooperative Aufgabe aller beteiligten Institutionen und Körperschaften sein wird.

 

 

 

Für das Handwerk informiert Herr Ambrosat, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vielzahl der Betriebe relativ gut durch die Krise gekommen ist mit Ausnahme des Bereiches der körpernahen Dienstleistungen. Diese Betriebe haben deutlich unter den Einschränkungen gelitten, was auch durch die Zahl der Ausbildungsverträge als ein Indikator der wirtschaftlichen Situation verdeutlicht wird. Derzeit liegen zum Beispiel für den Beruf Friseur noch keine Ausbildungsverträge vor, im gleichen Zeitraum vergangener Jahre bewegte sich die Zahl um 15. Eine signifikante Besserung ist nicht zu erwarten.

Eine Änderung der Situation für das Handwerk insgesamt ergibt sich nunmehr insbesondere durch Materialverknappung und deutliche Preisanpassungen. Die Erfüllung vor allem von Aufträgen aus dem öffentlichen Bereich gestaltet sich momentan als schwierig, da hier Preisgleitklauseln ausgeschlossen sind und derzeit das Risiko durch die Betriebe alleine getragen wird. Entsprechend werden keine Angebote mit langen Fristen abgegeben, da die Entwicklung der Preise nicht kalkulierbar ist.

Auswirkungen der Materialknappheit zeigen sich darin, dass einzelne Betriebe trotz voller Auftragsbücher Kurzarbeit beanspruchen müssen. Gründe liegen zum einen in der Corona-Pandemie, zum anderen aber auch in der Globalisierung der wirtschaftlichen Betätigung. Demzufolge wird aufgrund der gemachten Erfahrungen und negativen Effekte zwingend über die Schaffung regionaler Strukturen und die Re-Etablierung regionaler Wirtschaft nachzudenken sein. Hier gelte es zu eruieren, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten bestehen und wie diese gefördert werden können, damit heimische Unternehmen auf diese Quellen zurückgreifen können.

Zur Kurzarbeit führt Herr Ambrosat aus, dass die Regelungen für die Beanspruchung bis zum 30.09.2021 gelten mit der Option der Verlängerung bis zum 31.12.2021. Eine Prognose, inwieweit auch im kommenden Jahr Kurzarbeit relevant sein wird, ist zurzeit nicht möglich.

 

Auf Nachfrage von Herrn Adomeit zum Wiederaufbau von regionalen Strukturen erläutert Herr Ambrosat, dass teilweise bereits mit der Eigenproduktion begonnen wird. Wichtig sei, dass Anreize, z. B. über Förderungen, geschaffen werden, regional zu produzieren und so globale Abhängigkeiten zu vermeiden.

 

 

Herr Schmidt vom Landesverband des Tischlerhandwerks bestätigt die derzeitige Situation der Materialverknappung. Mit Blick auf das Bauholz erläutert er, dass ohne Export das heimische Holz den Bedarf ausreichend decken würde. Allerdings wirken entsprechende globale Marktkräfte, die den Verkauf z. B. in die USA oder nach China wirtschaftlich lukrativer machen. Hinzu kommt, dass andere Länder wie Kanada ihre Lieferungen u. a. wegen Schädlingsbefall gestoppt haben und die weltweite Nachfrage permanent hoch ist.

Das Tischlerhandwerk im Land wiederum hat bislang die Pandemie relativ gut überstanden. Ca. 85 % der Betriebe in MV erreichten trotz der enormen Anstrengungen für die Umsetzung vorgegebener Maßgaben gute wirtschaftliche Ergebnisse. Vorteil ist, dass hauptsächlich mittelständische Unternehmen für den privaten Sektor am Markt tätig sind und hier viel weniger Auftragseinbrüche zu verzeichnen waren als bei Unternehmen, die insbesondere als Zulieferer für größere oder große Abnehmer arbeiten.

Preissteigerungen und Materialknappheit wirken sich momentan aber auch auf das Tischlerhandwerk aus, was sich unter anderem in der Zurückhaltung bei Investitionen und der geringen Zahl an Ausbildungsverträgen zeigt. Insofern wird die kommende Entwicklung, aber auch die Reaktion der Landesregierung auf den angesprochenen Forderungskatalog der Kammern abzuwarten sein.

 

 

Der Regionalgeschäftsführer des DGB Herr Schulz richtet in seinen Ausführungen den Blick auf die durch die Pandemie besonders betroffenen Beschäftigten in den Unternehmen. Anzumerken ist, dass nicht in allen Fällen das Instrument Kurzarbeit Anwendung gefunden hat, sondern tatsächlich Entlassungen vorgenommen wurden. Viele der davon Betroffenen haben mittlerweile in anderen, teils besser bezahlten Berufszweigen Fuß gefasst und werden damit für die Bereiche Gastronomie und Tourismus nicht mehr zur Verfügung stehen. Verschärfen könnte die Situation die momentan in Polen vorherrschende Lohndynamik, womit polnische Arbeitskräfte, die bislang in MV gearbeitet haben, zukünftig dem hiesigen Arbeitsmarkt fehlen werden.

 

Weiteres Augenmerk richtet Herr Schulz auf den Erhalt der Werften in MV. Die Vielzahl der Beschäftigten befindet sich seit über einem Jahr in der Kurzarbeit. Das Kurzarbeitergeld richtet sich zwar nach dem Tariflohn, dennoch fehlt der Region über die Zeit enorme Kaufkraft. Entsprechend wichtig ist der Erhalt der Standorte und eine schnellstmögliche Aufnahme der Produktion.

 

Im Dienstleistungsbereich, in dem vielfach schlechter gezahlt wird, wirkt sich die Situation der Kurzarbeit auf die betroffenen Beschäftigten wesentlich negativer aus. Festzustellen ist, dass häufig trotz bestehenden Anspruchs eine Aufstockung der Leistungen nicht genutzt worden ist. Gegebenenfalls wäre eine bessere Kommunikation seitens der Jobcenter notwendig gewesen.

 

Der Umgang mit dem Instrument Kurzarbeit ist zudem insofern zu kritisieren, dass sich offenbar nicht auf die möglichen Lockerungen vorbereitet worden ist. Aus diesen Gründen die Beschäftigten nicht aus der Kurzarbeit zurückzuholen, ist unverständlich und nicht Sinn und Zweck dieser Form der temporären Hilfe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

 

Herr Schulz äußert abschließend die Hoffnung, dass der Arbeitsmarkt sich relativ zügig von den Folgen der Pandemie erholt und er wirbt dafür, alle für diesen Zweck vorhandenen Förderprogramme zu nutzen.

 

Auf Nachfrage von Herrn Adomeit zum Stand der geplanten Auffanggesellschaft für ca. 650 ehemalige Beschäftigte der Werft verweist Herr Schulz auf derzeit laufende Gespräche zum Inhalt und zur Finanzierung. Dem gegenüber steht die Aussicht, dass der Markt für den Schiffbau vorhanden bleibt. Zudem sehe man Chancen aufgrund des Bedarfs an Offshore-Anlagen, der momentan z. B. in Polen gegeben ist.

 

 

Herr Dr. Radloff ergänzt, dass laut aktueller dpa-Meldung der Bund die Unterstützung von Genting in Höhe von 350 Mio. € beschlossen hat. Das vorliegende Sanierungskonzept sieht den Abbau von insgesamt 3000 Arbeitsplätzen vor. Angedacht ist die Bildung einer Transfergesellschaft für 650 betroffene Beschäftigte. Die konkrete Verteilung des Abbaus auf die Standorte ist nicht bekannt, auch aufgrund von Personalverschiebungen, Renteneintritten und Berufsumsteigern.

 

Zur Verfassung des Arbeitsmarktes führt Herr Dr. Radloff aus, dass die Auswirkungen der Pandemie deutlich zu spüren sind, gleichwohl habe man die Krise ganz gut durchlebt. Es ist von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit auszugehen. Bis März/April haben ca. 2000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet, was mit dem anstehenden Saisonstart ebenfalls rückläufig sein wird, zumal auch von saisonverlängernden Effekten ausgegangen werden kann. Insofern wird eine normale, wenn auch leicht verzögerte Entwicklung des Arbeitsmarktes erwartet.

In einigen Bereichen wird es zu dem bereits angesprochenen Kräftemangel kommen, jedoch nicht so ausgeprägt, wie befürchtet. Schwerwiegender wiegt aber das Problem der demografischen Entwicklung, da zahlenmäßig kein gleichwertiger Ersatz jüngerer Arbeitskräfte für die demnächst ausscheidenden Beschäftigten vorhanden ist. Dies wird zudem befördert durch die Tatsache, dass in MV die niedrigsten Durchschnittslöhne gezahlt werden und entsprechend der Anreiz fehlen wird.

 

Zum Ausbildungsmarkt merkt Herr Dr. Radloff an, dass in einzelnen Bereichen die Lage momentan tatsächlich schwierig ist, insgesamt jedoch mehr Stellen als Auszubildende vorhanden sind. Ein Abschluss der Verträge hängt dabei letztlich von den Berufswünschen der Bewerber und deren persönlichen Voraussetzungen ab.

 

Herr Grundke merkt hierzu an, dass als Folge der Pandemie und der Einschränkungen durch die Landesverordnung kaum Praktika angeboten werden konnten, was sich durch ausbleibende Bewerbungen für Ausbildungen bemerkbar macht. Entsprechend angespannt bewertet Herr Grundke die Situation für diesen Bereich.

 

Herr Dr. Radloff relativiert dahingehend, dass die Zahl der unversorgten Schülerinnen und Schüler sich auf dem normalen Niveau bewegt und sich positive Änderungen in der nächsten Zeit ergeben werden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass nicht ausreichend Jugendliche für die Besetzung aller Ausbildungsstellen vorhanden sind. Diese Situation werde verschärft durch eine zu erwartende höhere Anzahl an Schülern, die das Abschlussjahr in Schule oder Berufsausbildung wiederholen. Extreme Auswirkungen, die ausschließlich durch die Pandemie verursacht sind, erwartet Herr Dr. Radloff nicht.

 

Auf einen von Herrn Werner angesprochenen möglichen Widerspruch zur dargestellten Situation und der Erwartung einer dennoch normalen Entwicklung erläutert Herr Dr. Radloff abschließend, dass seit Jahren bzgl. der Lehrstellen ein sogenannter Bewerbermarkt existiert und die Situation sich nicht wesentlich von der in den Vorjahren unterscheidet. Zu berücksichtigen sei, dass in die Zahl der unversorgten Jugendlichen auch die fallen, die für den konkreten Berufswunsch keine Zusage erhalten und ihre Bewerbung im kommenden Jahr wiederholen.

 

Herr Buxbaum dankt für die ausführliche Darstellung der momentanen Situation. Es gibt keinen weiteren Redebedarf. Der Ausschussvorsitzende schließt den Tagesordnungspunkt.