Frau Bartel geht kurz auf den vorliegenden Antrag ein und begrüßt die Gäste aus der Verwaltung.

 

Frau Behrendt bestätigt, dass der Zeitraum von 1933 bis 2020 in Bezug auf die Stralsunder Geschichte nicht lückenlos erforscht ist. Es sind Forschungslücken festzustellen, nicht nur in dem genannten Zeitraum, sondern auch in anderen Epochen der 800-jährigen Stadtgeschichte. Die Auswahl an Themen und Forschungsmöglichkeiten sind aus Sicht der Amtsleiterin unendlich. Frau Behrendt betont, dass gerade zu den Themen Hansezeit, Schwedenzeit und Mittelalter recht viele Ergebnisse vorliegen. Ab 1800 liegen nur punktuelle Untersuchungen vor.

Für die Erforschung der jüngeren Geschichte gibt es beispielsweise Hemmnisse im Bereich des Datenschutzes, so dass Daten erst nach und nach für die Forschung zur Verfügung stehen.

Der vorliegende Antrag ist sehr umfassend und kann aus Kapazitätsgründen so von der Verwaltung nicht erfüllt werden. Forschung ist zeitaufwendig, benötigt finanzielle Mittel und Freiräume, um auf ein Ziel hinarbeiten zu können. Selbst bei der Inanspruchnahme von Drittmitteln wäre immer ein Eigenanteil aufzubringen. Dennoch sind Frau Behrendt, Frau Dr. Heun und Herr Dr. Schleinert der Auffassung, dass sich der Zeit von 1933 – 2020 gewidmet werden muss.

 

Frau Behrendt teilt mit, dass sich Stralsund an einem Projekt „Stadtwende“ beteiligt. Dieses Projekt untersucht die Vorgeschichte und Wirkung der Rettung ostdeutscher Altstädte. Es werden die Rollen von Bürgerinitiativen in der Vor- und Wendezeit und deren Erfolge bei der Rettung der Altstädte betrachtet. Dieses Projekt ist an ein Förderprogramm („Wissenslücken über die DDR schließen“) des Bundes angebunden. Die Finanzierung erfolgt über das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Verwaltung wird vor allem als Vermittler tätig sein und den notwendigen Eigenanteil aufbringen. Die Ergebnisse der Forschung können dann kostenfrei von der Hansestadt Stralsund genutzt werden. Weiterhin soll es zu dem Stadtwendeprojekt im Rahmen des 20-jährigen Welterbejubiliäums 2022 eine Wanderausstellung geben.

 

Frau Dr. Heun informiert über ein Projekt zur Provenienzforschung. Bei einer Prüfung 2018 wurden im STRALSUND MUSEUM 149 Objekte entdeckt, die in Verdacht stehen, Verfolgten zu NS-Zeiten entwendet worden zu sein. Das Museum hat im letzten Jahr einen Antrag auf Provenienzforschung beim Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg gestellt. Ziel ist es, die 149 Objekte in den Blick zunehmen. Durch eine große Sammlungstätigkeit des früheren Museumsdirektors Fritz Adler wurden auch Objekte in der Zeit zwischen 1933 und 1945 zusammengetragen. Ein weiteres Thema ist die Enteignung der Freimaurerlogen, deren Besitz sich zum großen Teil im STRALSUND MUSEUM befindet.

Das von Frau Dr. Heun vorgestellte Projekt startet am 01.03.2021 und soll mit einer Betrachtung der lokalen Enteignungen beginnen.

Außerdem wird es eine Ausstellung über den Antiquitätenhändler John Horneburg und dessen Enteignung geben.

 

Die Forschung wird zunächst für ein Jahr mit 80.000 € gefördert. Mit dem Geld soll ein Wissenschaftler eine Wissenschaftlerin eingestellt werden, der/die sich mit Fragen zu den 149 Objekten auseinandersetzt. Die Mitarbeiter des Museums selbst können diese Forschung zusätzlich zu ihren eigenen Aufgaben nicht betreiben.

 

Herr Dr. Schleinert ergänzt, dass wissenschaftliche Forschung vieler Einzeluntersuchungen bedarf, dies erläutert er am Beispiel des Autors Detlev Brunner und seinem Buch „Stralsund-eine Stadt im Systemwandel“. Untersucht wurde der Systemwandel in der Zeit von ca. 1925 – 1960 anhand der Festkultur in Stralsund.

Werden Doktoranden mit solchen Forschungsaufgaben betraut, benötigen diese ein konkret benanntes Thema mit einem Arbeitspensum, welches in drei bis fünf Jahren zu bewältigen ist. Die Themenstellung „Stralsund in der NS-Zeit“ wäre viel zu umfänglich und nicht oder nur unzureichend abzubilden. Es sind also viele verschiedene Arbeiten zu verschiedenen Themenstellungen notwendig, um ein Gesamtbild der Stralsunder Geschichte zeichnen zu können. 

 

Herr Dr. Schleinert betont ebenfalls, dass diese Arbeit mit denen der Stadt zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht zu leisten ist.

 

Frau Bartel bedankt sich für die Informationen und bittet um Wortmeldungen der Ausschussmitglieder.

 

Herr Krämer begrüßt die Idee, etwas Neues zur 800-Jahrfeier der Stadt präsentieren zu wollen. Seine Frage nach den ungefähren Kosten, die für die Aufarbeitung der Stralsunder Geschichte entstehen würden, beantwortet Frau Behrendt anhand eines Beispiels. Bei der Vergabe eines von der Stadt festgelegten Themas an einen Doktoranden würden Kosten in Höhe von 70.000 € pro Jahr entstehen. Sie betont, dass der zeitliche Rahmen für die Erforschung der Geschichte nicht auf die Jahre 1933 – 2020 begrenzt sein muss und frei bestimmt werden kann.

Die Amtsleiterin erklärt weiter, dass es aus ihrer Sicht nicht möglich ist, den vorliegenden Antrag umzusetzen. Dennoch sollen zum 800-jährigen Stadtjubiläum neue Forschungsergebnisse vorliegen.

Die Verwaltung bemüht sich wie dargestellt um Fördermittel, um bestimmte Fragestellungen von Dritten beantworten zu lassen.

 

Frau Bartel betont, dass die Zeit der Diktaturen aufgearbeitet werden muss. Gleichzeitig äußert sie sich sehr positiv, zu den bereits geplanten Projekten bzw. gegründeten Vereinen, die sich beispielweise mit der NS-Zeit beschäftigen.

 

Frau Fechner weist darauf hin, dass viele Städte über einen Geschichtsverein verfügen. Sie kann sich vorstellen, dass auch viele Stralsunderinnen und Stralsunder Interesse haben, in einem solchen Verein Mitglied zu werden und mitzuwirken.

 

Herr Adomeit begrüßt die Idee der Gründung eines Geschichtsvereins.

 

Eine Gründung über die Verwaltung oder auch über den Ausschuss ist nicht möglich. 

Der Vorschlag von Frau Fot, den Traditionsverein einzubinden, wird von Frau Bartel eher kritisch gesehen.

 

Nach ausführlicher Diskussion verständigen sich die Mitglieder des Ausschusses darauf, dem von Frau Behrendt gemachten Vorschlag zu folgen und die E-Mailadresse der Geschäftsführung des Ausschusses (gely@stralsund.de) als Anlaufstelle für Interessierte zur Gründung eines Geschichtsvereins publik zu machen. Sie betont, dass es sich um eine rein administrative Aufgabe handelt.  

 

Außerdem erkundigt sich Frau Fechner nach einer eventuell vorhandenen Stadtchronik.

Herr Dr. Schleinert erklärt, dass es zu den Aufgaben des Stadtarchivs gehört, eine fortlaufende Stadtchronik zu führen. Es erfolgt eine Auswertung der Tagespresse, bei der dann die für die Stadtgeschichte bedeutenden Artikel aufbewahrt werden. Die Stadtchronik ist außerdem online verfügbar. Die einsehbare Chronik beginnt 1945. Es erfolgt aber auch eine Erschließung der Tagespresse bis zurück ins 19. Jahrhundert. Dieses Material wird auch für Forschungen zur Verfügung gestellt.

 

Eine weitere Aufgabe wird in den nächsten Jahren die Katalogisierung der Akten der Stadtverwaltung sein, insbesondere aus der DDR-Zeit. Die Bereitstellung solcher Unterlagen ermöglicht erst Forschung. Herr Dr. Schleinert weist weiter darauf hin, dass es nicht ausreicht, Recherchen nur auf ein Archiv zu begrenzen.

 

Herr Ruddies schlägt vor, eine Art Zeitstrahl zu erstellen, in dem die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse im Zusammenhang mit Stralsund abgebildet sind.  

 

Frau Bartel spricht sich dafür aus, dass der Ausschuss regelmäßig über die vorgestellten Projekte und deren Umsetzung informiert wird.

 

Dem Anliegen, von Herrn Heimrich, den vorliegenden Antrag abzustimmen, wird nicht gefolgt. Das Thema wird in der nächsten Sitzung erneut beraten, auch in Bezug auf die eingegangenen Rückmeldungen zur Gründung eines Geschichtsvereins.

 

Die Ausschussvorsitzende schließt den Tagesordnungspunkt.