Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anfrage:

 

1.       Was sind die Gründe, warum die Hochzeitskutsche der Hansestadt Stralsund nicht mehr zum Einsatz kommt?

 

Herr Dr. Langner antwortet wie folgt:

 

Als sich Anfang der 1980er-Jahre abzeichnete, dass die letzten privaten Fuhrunternehmer mit Pferdegespannen ihr Gewerbe in absehbarer Zeit aufgeben werden, erhielt der Tierpark vom Rat der Stadt Stralsund den Auftrag, den Bedarf an Hochzeitsfahrten abzusichern.

Daraufhin wurden zwei geschlossene Kutschen und drei Warmblutpferde (Schimmel) angekauft. Als externe Kutscher übernahmen bis 1990 Walter Scholz, danach Günter Scholz, beide ehemals als Kutscher beim Fuhrunternehmen Bredenbeck tätig, die Fahrten mit der Kutsche. Die Kutscher fuhren dabei auf eigene Rechnung. Ab 1990 wurden die Kutschen von dem Zooangestellten Rüdiger Banditt gefahren. Herr Banditt ist Meister der Pferdezucht und verfügt über die Berechtigung zum Führen von Pferdegespannen im Straßenverkehr (sogenannter „Kutscherschein“) Die letzte Hochzeit wurde im Jahr 1992 gefahren. Ab 1993 wurde vom Zoo noch ein Gespann mit zwei Kaltblutpferden vor einem Kremser eingesetzt. Auch die Fahrten mit dem Kremser wurden ab 2017 eingestellt.

 

Inzwischen haben sich die gesetzlichen Regelungen, das Verkehrsaufkommen und auch die öffentliche Bewertung von als Zugtiere eingesetzten Pferden erheblich geändert.

 

1. Die heutigen Verkehrsteilnehmer und auch die Passanten verfügen in der Regel nicht mehr über Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Pferden. Dichtes Auffahren, Hupen oder Annäherung an die Tiere von hinten führen beim Fluchttier Pferd zu gefährlichen und unkalkulierbaren Flucht- und Abwehrbewegungen. Für Hochzeitsfahrten wäre in der Regel eine Fahrt zum Rathaus erforderlich. Das bedeutet, durch Straßen mit hohem Verkehrs- und Fußgängeraufkommen. Die letzten Fahrten mit dem Kremser, z. B. bei den Wallensteintagen, haben gezeigt, dass heute nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene keinerlei Risikobewusstsein bei der Begegnung mit Pferden haben. Passanten halten trotz Ermahnungen keinen Sicherheitsabstand, berühren die Pferde ohne vorherige Ansprache oder fahren mit dem PKW so dicht an die Tiere heran, dass Schreckreaktionen der Tiere nicht vermieden werden können. Die Risiken, die dabei entstehen, sind aus der Sicht des Zoos nicht zu vertreten.

 

2. Die historisch wertvollen Kutschen müssten, gemäß der heute geltenden Vorschriften, mit zwei Bremskreisen, elektrischer Beleuchtung und Fahrtrichtungsanzeige und gummibereiften Rädern ausgestattet werden. Beide Kutschen sind museale Exponate, die Nachrüstung der heute notwendigen Ausstattung würde erhebliche Eingriffe in die historische Substanz der Kutschen erfordern.

 

3. Um die Pferde in einem guten Übungszustand zu halten, müsste das Gespann regelmäßig im Einsatz sein. Hierzu bedarf es einer zusätzlichen, geschulten Arbeitskraft. Dafür wäre die Schaffung einer neuen Planstelle erforderlich. Außer dem Gespannführer bedarf es eines Hilfskutschers, der bei Bedarf die Pferde hält, auf schwer einsehbaren Kreuzungen den Verkehr reguliert und sonstige Sicherungen übernimmt.

 

4. Von großen Teilen der Bevölkerung wird die Nutzung von Pferden als Zugtiere kritisch gesehen. Tierschutzorganisationen versuchen vielerorts, die in Städten mit Pferdegespannen fahrenden Fuhrunternehmer tierschutzrechtlich zu belangen.

 

Die erheblichen und unkalkulierbaren Risiken in Verbindung mit den nicht zu unterschätzenden Kosten wurden von der Zoobelegschaft sorgfältig gegen den überschaubaren Nutzen, den der Einsatz eines Pferdegespannes durch den Zoo der Hansestadt Stralsund mit sich bringen würde, abgewogen. Das Ergebnis fiel eindeutig gegen den Einsatz des Gespannes aus. Deshalb hat der Zoo den Einsatz von Pferdgespannen im Straßenverkehr eingestellt.

Die beiden Hochzeitskutschen sind als wertvolle Exponate in der Remise auf dem Hof des Ackerbürgerhauses für Besucher gut sichtbar ausgestellt.

Einige Reit- und Fahrvereine und auch vereinzelte Privatunternehmer in der Region bieten Kremser- und Kutschfahrten an. In der Regel kommen dabei neue Kutschen und Pferde, die bei Turnieren und Veranstaltungen erprobt sind, zum Einsatz.

 

Herr Adomeit bedauert, dass die Kutschen nicht mehr zum Einsatz kommen.

 

 

Auf die beantragte Aussprache wird verzichtet.