Zu Beginn erteilen die Ausschussmitglieder Herrn Dr. Jürgen Radloff, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Stralsund, Rederecht.

 

Mit Hilfe eines Handouts erläutert Herr Dr. Radloff die aktuellen Zahlen und geht auf die zuvor eingereichten Fragen der Ausschussmitglieder ein.

 

Das Handout wird Anlage zum Protokoll.

 

Herr Dr. Radloff führt aus, dass es in punkto Arbeitslosenzahlen ein deutliches Ost-West-Gefälle  in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Der Arbeitsagenturbereich Stralsund ist sehr stark saisonal geprägt. Der Arbeitsmarkt insgesamt hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Für die Hansestadt lag die Arbeitslosenquote Ende Mai bei 12,4% Punkten. Die Arbeitslosenquote für den Agenturbezirk liegt momentan bei 8,5% Punkten. Dies ist auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung, aber vor allem auf den demografischen Wandel zurückzuführen. Die Region um Stralsund ist hinsichtlich der Bevölkerung eine der ältesten im Bundesgebiet. Um die regionalen Unterschiede deutlich zu machen, nennt Herr Dr. Radloff die Insel Rügen als Beispiel. Auf dieser schwankt die Arbeitslosenquote im Laufe eines Jahres um fast 10% Punkte.

Teilweise liegt der Agenturbezirk in den Sommermonaten unter der Arbeitslosenquote von Städten in Schleswig-Holstein oder dem Ruhegebiet.

 

Herr Dr. Radloff weist darauf hin, dass neben der Arbeitslosenquote vor allem die Größe der Unterbeschäftigung ausschlaggebend ist. Diese Quote liegt momentan bei 11,4% und ist damit sehr hoch.

 

Außerdem rät Herr Dr. Radloff davon ab, pauschal von einem Fachkräftemangel zu sprechen, da es in der Region viele Menschen gibt, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anstreben. In einigen Berufszweigen gibt es Engpässe Fachpersonal betreffend, diese sind allerdings partiell und temporär.

 

Herr Sobottka erkundigt sich, ob die Werft in Stralsund auch über die Arbeitsagentur mit Fachkräften versorgt wird.

Dazu erklärt der Geschäftsführer der Arge, dass das Personalbüro der Genting Group in Wismar sitzt und dort auch die Arbeitskräfte akquiriert werden. In der Zwischenzeit wurde der 2000. Mitarbeiter eingestellt. Es liegen viele Bewerbungen vor und Genting dürfte keine Probleme haben, die offenen Stellen zu besetzen. Für Stralsund sind ca. 12 offene Stellen auf der Werft gemeldet.

Bewerbungen liegen aus ganz Deutschland vor. Es ist damit zu rechnen, dass ehemalige Werftarbeiter ihre jetzigen Stellen kündigen, um an die Werft zurückzukehren.

Grund dafür ist u. a. die gute Bezahlung. Die Entwicklung wird sich auf kleinere Betriebe auswirken.

 

Positiv hebt Herr Dr. Radloff die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit hervor.

 

Der demografische Wandel ist bereits  zu spüren. Im Landkreis Vorpommern-Rügen sind mit Abstand die meisten Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt, die 55 Jahre alt oder älter sind.

 

Herr Dr. Radloff weist auf eine weitere Personengruppe hin, die ebenfalls Bestandteil der Statistik ist. Einige Arbeitnehmer schließen mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen, melden sich dann arbeitssuchend und gehen am Ende aktuell mit 63 Jahren und 6 Monaten abschlagsfrei in Rente, da sie 540 Beitragsmonate nachweisen können.

 

Im Bezirk der Agentur sind derzeit 704 statistisch arbeitslos gemeldete Ausländer registriert. Darunter befinden sich 458 Ausländer mit dem Hintergrund Flucht/Asyl. 

Anders verhält es sich mit arbeitsuchend gemeldeten Ausländern. Davon gibt es im Einzugsbereich 1097, 1038 davon mit dem Hintergrund Flucht/Asyl.

Herr Dr. Radloff erklärt weiter, dass im kommunalen Jobcenter all die Flüchtlinge betreut werden, die über einen anerkannten Status verfügen.

Herr Dr. Radloff schätzt, dass durch das Jobcenter ca. 2000 Personen mit dem Hintergrund Flucht und Asyl betreut werden.

 

Der Vorsitzende der Geschäftsführung erklärt weiter, dass kein Betrieb verpflichtet ist, seine Ausbildungsstellen der Agentur für Arbeit zu melden und auch die Jugendlichen sind nicht verpflichtet, sich an die Institution zu wenden. Trotzdem ist deutlich erkennbar, dass es erheblich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gibt.

Unter der Voraussetzung, entsprechender schulischer Leistungen kann jeder Jugendliche hier in der Region seinen Wunsch-Ausbildungsplatz erhalten.

Ausbildungen in der Hotel- und Gastronomiebranche sind bei Jugendlichen aus verschiedenen Gründen weniger beliebt.

 

Herr Dr. Radloff geht auf einige Statistiken ein. Aus einer davon geht hervor, dass im Agenturbezirk Stralsund die meisten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bereich Gesundheit und Soziales angestellt sind.

Eine starke Ausprägung gibt es auch im Dienstleistungssektor in Stralsund.

 

Herr Dr. Radloff erklärt weiter, dass es in Mecklenburg-Vorpommern die meisten Jugendlichen ohne Schulabschluss gibt.

 

Fast die Hälfte aller Beschäftigten im Landkreis zählt zu den Geringverdienern.

Herr Dr. Radloff erklärt außerdem dass sich die Einführung des Mindestlohns nicht negativ auf die Beschäftigung ausgewirkt hat.

 

Ein weiteres Themenfeld, welches durch Herrn Dr. Radloff angerissen wird, ist der Anteil der Ausländer an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Dieser beträgt 4,1% Punkte (3062). Ohne sich genau festzulegen geht er davon aus, dass mehr als 2500 davon EU-Bürger sind.

 

 

 

 

Der Begriff prekäre Beschäftigung kommt von den Gewerkschaften und ist schwer zu definieren:

 

-       Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen

-       die häufig nicht auf Dauer und Kontinuität angelegt sind

-       die nicht durch die Sozialversicherung abgedeckt sind

-       nur geringe arbeitsrechtliche Schutzrechte aufweisen

-        

Ein weiterer Problemschwerpunkt liegt in der Zahl der Langzeitarbeitslosen. Oft liegen Vermittlungshemmnisse wie gesundheitliche Einschränkungen oder eingeschränkte Vermittelbarkeit auf Grund der Tatsache vor, dass der zu Vermittelnde alleinerziehend ist.

 

Abschließend geht Herr Dr. Radloff auf den Fachkräftemangel im Bereich der Alten- und Krankenpflege ein. Im Agenturbezirk sind aktuell 181 Alten- und Krankenpfleger arbeitslos gemeldet.

Viele können den Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Deshalb besteht ein gewisser Fachkräfteengpass. Auf Grund der hohen Belastung, der vergleichsweise schlechten Bezahlung und den Arbeitsbedingungen wird der Beruf nicht stark nachgefragt. Auch die unterschiedlichen Wege, um Alten und Gesundheitspfleger zu werden, sind problematisch. Ab 2020 soll es hier einheitliche Regelungen geben.  

 

Auf Nachfrage von Herrn Adomeit geht Herr Dr. Radloff auf das Projekt Triple Win ein. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit zwischen der zentralen Auslandsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und Arbeitgebern. Ziel ist die Anwerbung von examinierten Pflegekräften aus dem nicht EU-Ausland. Für das Programm wird geworben, bisher wird es in der Region aber nicht in Anspruch genommen. Für den Arbeitgeber ist das Programm mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.

 

Herr Sobottka fragt, ob die Agentur für Arbeit Umschulungsmaßnahmen für Pflegeberufe anbietet. Herr Dr. Radloff erklärt, dass es eine 18-monatige Ausbildung zum Pflegehelfer gibt, die auf Grund der Ausbildungsdauer allerdings nicht förderfähig ist. Für die 3-jährige Ausbildung zur Pflegefachkraft wurde eine Ausnahmeregelung getroffen, so dass das dritte Jahr finanziell gefördert werden kann. Diese Regelung läuft 2019 aus.

 

Auf die Frage von Herrn R. Kuhn antwortet Herr Dr. Radloff, dass das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung einen Bericht zum Thema Digitalisierung und den Auswirkungen herausgegeben hat. Es wurden alle Berufsbilder herangezogen und geschaut, zu wieviel Prozent Digitalisierung in diesen Berufen eine Rolle spielt. Danach wurde eingeschätzt, dass Mecklenburg-Vorpommern von den Auswirkungen als letztes Bundesland betroffen sein wird. Dies liegt vor allem an der Dienstleistungsorientierung.

Herr Dr. Radloff geht davon aus, dass die Digitalisierung alle Berufsbilder erfassen wird und es dadurch einen Wandel in den Berufen geben wird.

Weiter erklärt der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Stralsund, dass Qualifizierung und Weiterbildung zum Beruf dazu gehören. In der heutigen Zeit ist der Verbleib eines Arbeitnehmers in einem Unternehmen für die Dauer eines Berufslebens kaum noch vorstellbar.  

 

Auf die Frage von Herrn Butter, welchen Status Flüchtlinge und Asylbewerber auf dem Arbeitsmarkt haben, erklärt Herr Dr. Radloff, dass es dazu ca. 90 verschiedene Regelungen gibt, er erläutert das Verfahren an zwei Beispielen.

 

Auf eine weitere Frage von Herrn Butter, wann die Vollbeschäftigung erreicht ist, erklärt Herr Dr. Radloff, dass man bei einer Arbeitslosenquote von unter 3% von Vollbeschäftigung spricht, diese soll bis 2025 erreicht werden.

 

Herr Schwarz bedankt sich bei Herr Dr. Radloff und schließt den Tagesordnungspunkt.