Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anfrage:


1.           

Welche Versäumnisse sind in den Planungen der Verwaltung zu den Schulkapazitäten zu verzeichnen?

2.           

Was wird die Stadtverwaltung tun bzw. ändern, um nicht noch einmal
in eine solche Lage an den Schulen zu geraten?

 

 

Herr Tuttlies beantwortet die Anfragen wie folgt:

 

Zu 1.)

Laut Duden ist das Versäumnis gleichbedeutend mit Unterlassung oder Verschulden. Die vorliegende Begründung legt nahe, dass dies auch so gemeint  ist.  Hier ist von unhaltbaren Zuständen die Rede, die seit Jahren bekannt seien. In der Begründung wird weiter dargelegt, dass Unterricht auf Fluren und in Klassenräumen stattfinden muss.

 

Dies entspricht auch teilweise den Gegebenheiten. Herr Tuttlies beschreibt, in welcher Art und warum dies der Fall ist.

In sieben von 16 Stralsunder Schulen wird tatsächlich Unterricht in Essenräumen oder auf den Fluren abgehalten. In einem Fall handelt es sich um die IGS, die in Einzelfällen in ihrem Atrium Unterricht in Klassenstärke durchführt – so lange, bis der Neubau des Hauses II dies entbehrlich macht. Dies wird mit Beginn des Schuljahres 2016/17 der Fall sein.

Im Regionalen Schulteil der Burmeister-Schule wird auf den Fluren Unterricht in Form von Projekt- bzw. Gruppenarbeit durchgeführt. Dies ist nichts Ungewöhnliches und hat wohl jeder schon einmal erlebt.

Die anderen fünf Fälle ereignen sich ausschließlich an den Grundschulen „Lambert Steinwich“, „Herrmann Burmeister“, „Juri Gagarin“, Ferdinand von Schill“ und „Andershof“. Hier wird der Unterricht in Form von Freiarbeit, offener Unterrichtsarbeit, Einzelförderung, Förderung mit Integrationshelfern  und Gruppenarbeit durchgeführt. Jede dieser Unterrichtsformen sind pädagogische Sonderformen, die bewusst auf Stärkung des einzelnen Kindes oder Schulung der sozialen Kompetenzen ausgerichtet sind und bewusst außerhalb des normal üblichen Klassenverbundes oder des Frontalunterrichtes durchgeführt werden. Ob das unhaltbare Zustände sind, vermag Herr Tuttlies nicht zu beurteilen, er ist kein Pädagoge.  Fakt ist: Jede Klasse hat einen Klassenraum. Dies wurde so durch die beiden Schulleitungen angegeben.

 

Dass die beiden Schulleiter der „Burmeister-Schule“ auf die beengten Verhältnisse hingewiesen haben – und das auch schon länger - ist richtig. Sie haben aber auch im gleichen Atemzug erklärt, dass die Verwaltung in Zusammenarbeit mit Ihnen bemüht war und ist, diese Mängel zu beheben. Warum das so schwierig ist, dazu später mehr.

 

Was also in der Tat ein Problem darstellt, sind die räumlichen Kapazitäten. Dies ist das Thema mit dem man sich nicht erst heute beschäftigt. Was hat also die Verwaltung unterlassen oder gar verschuldet?

 

Auch hierzu zunächst ein Blick auf die Fakten:

Die Schulentwicklungsplanung basiert auf einer Prognose für Schülerzahlen für die nächsten zehn Jahre, die mit den vorhandenen Kapazitäten abgeglichen werden.

Die Schulentwicklungsplanung für die Jahre 2006 bis 2011 hat die Schulstruktur wie folgt festgelegt: 15 bis 18 Züge an sieben Grundschulen. Züge bedeutet immer Klassenanzahl in den Stufen 1 bis 4. Das heißt also pro Jahr gab es 15 - 18 1. Klassen. 10 bis 17 Züge für die weiterführenden Schulen, also 10 bis 17 fünfte Klassen. Für den Zeitraum wurden sieben gymnasiale Züge also sieben 7. Klassen festgelegt. Die Grundlage für die Prognose der Schülerzahlen bilden u.a. die statistisch nachgewiesenen Geburtenzahlen, die Anzahl der bereits vorhandenen Schüler, die zu erwartenden Zu- und Abwanderungsbedingungen, erwartete Pendlerbewegungen und zu erwartende innerschulische Schülerströme.  Die ersten beiden Angaben davon sind noch einfach. Der Rest soll aufgrund festgelegter Formeln errechnet werden.

 

Ab 2011 ging nach Landkreisneuordnungsgesetz die Verantwortung für die Schulentwicklungsplanung an den Landkreis über. Die Planung wurde in Abstimmung mit der Hansestadt Stralsund fortgeschrieben. Jedoch wurde die Planung von 2006 bis 2011 im Jahr 2012 und  2013 vom Kreistag Vorpommern-Rügen  zunächst nur verlängert. Das heißt nichts anderes, als dass man  als Hansestadt die Kapazitäten laufend und  eigenständig an die entsprechenden Bedarfe angepasst hat. So hat man im letzten Jahr 20 1. Klassen eröffnet, 18 5. Klassen und sieben neue gymnasiale Klassen.

 

Was bedeutet das in absoluten Zahlen?

 

Eingangsklassen an        *GS   Reg. Schulen  KGS               IGS    Hansa-Gym.   Goethe-Gym.

2008                                      13      11                    ---            3                 3                 1

2012                                      18        8                4                4                   4              (3) gymn.

2015                                      20      10                                4                4                   4              (3) KGS

(*ohne Sonderklassen)

 

Steigerung Grundschul-Eingangsklassen von 2008 bis 2015 um 7 Eingangsklassen

Steigerung Orientierungsstufe (ab Kl. 5) von 2008 bis 2015 um 4 Eingangsklassen

Steigerung gymn. Oberstufe (ab Kl. 7) von 2008 bis 2015 um     3 Eingangsklassen

 

Das ist nichts Besonderes. Aber seit 2006 ist noch mehr passiert.

 

2008 z. B. verzeichnete das Goethe-Gymnasium 25 Anmeldungen für die Klasse 7. Damit erreichte das Gymnasium nicht die nach § 45 SchulG MV erforderliche Schülermindestzahlen. Der Standort war akut gefährdet. Der Container wurde auf Grund des fehlenden Bedarfes stillgelegt bzw. einer anderen Nutzung zugeführt. Man hätte die Schule schließen müssen! Was hat die Verwaltung gemacht?

Sie hat sich gemeinsam mit der Schulleitung hingesetzt und Hausaufgaben gemacht. Die Kooperative Gesamtschule ist entstanden, das Schulgebäude und die Sporthalle wurden saniert und ein Verbinder neu geschaffen. Die Schule gehört heute zu den attraktivsten in der ganzen Stadt.

 

2013: die Grundschule „Ferdinand von Schill“ hatte 34 Anmeldungen zur Einschulung, die Grundschule Andershof sogar nur 28. In beiden Fällen wurden die Klassen auf Antrag der Verwaltung trotz Nichterreichen der Mindestschülerzahl und mit Genehmigung des Bildungsministeriums gebildet und damit der Fortbestand dieser Schulen überhaupt abgesichert. Dies gilt auch für die Regionale Schule „Marie Curie“, die 2014 weniger als 36 Anmeldungen für die Klasse 5 zu verzeichnen hatte. Alle Schulstandorte haben sich zwischenzeitlich etabliert. Die Grundschule Schill wird ab nächstem Jahr ebenfalls saniert. Danach ist die Juri-Gagarin-Grundschule dran. Auch hier setzt man auf einen erheblichen Attraktivitätszuwachs.

 

Seit Ende 2013 jedoch spätestens im Jahr 2014 erreichten auch Stralsund die Ausläufer der Flüchtlingskrise. So werden mit Stand Frühjahr 2016 in Stralsund an den Allgemeinbildenden Schulen ca. 280 Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunft zusätzlich beschult. Die zusätzlichen Kapazitäten für 13 Intensivkurse mussten kurzfristig abgesichert werden. Also mindestens 13 Räume wurden ihrer ursprünglichen Bestimmung entzogen.

 

Die letzten drei Sanierungen bzw. Neubauten haben jeweils mehr als 4 Mio € Investitionsmittel in Anspruch genommen. Der Betrieb einer Schule kostet der Hansestadt Stralsund durchschnittlich p.a. 400 T€.

 

Unter Berücksichtigung der Haushaltssituation mit laufenden Konsolidierungsverpflichtungen  waren wir bis Ende 2014 als Verwaltung der Auffassung, dass die Schülerentwicklung durch freie Kapazitäten an den Schulen oder durch die zusätzliche Kündigung von Horträumen aufgefangen werden kann. Erst mit Verschärfung der Problematik im Jahr 2015 wurde sichtbar, dass diese Reserven nicht ausreichen werden und es sind Szenarien zur Kapazitätserweiterung durch die Verwaltung erarbeitet worden.

 

Ein vorwerfbares Versäumnis kann Herr Tuttlies somit nicht bestätigen und weist diesen Vorwurf zurück.

 

Zu 2.)

Zunächst ist die mittel- und langfristige Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung zu nennen – auch wenn die Planungshoheit dafür beim Landkreis liegt. Auch in den Folgejahren werden hierbei weitere Herausforderungen für die Verwaltung zu bewältigen sein.

 

Durch die extrem schwankenden Einschülerzahlen in den Jahren 2005 – 2015 sind verlässliche und vor allem langfristige  Prognosen sehr schwierig.

 

Nach einem weiteren erwarteten Geburtenrückgang ab ca. 2020 wird sich aus Sicht der Verwaltung hoffentlich eine  stabilere Geburtenlage entwickeln.

 

Eine Prognose über den Wanderungssaldo ist genauso unmöglich wie eine Vorhersage über die Entwicklung des Leitzinses oder zukünftiger Flüchtlingsströme. Aber gerade diese Faktoren haben aktuell enorme Auswirkungen auf die Kapazitätenplanung im Stadtgebiet.

 

Frau Kindler freut sich auch weiter über steigende Geburtenzahlen, wie sie genannt wurden und auch über den Zuzug von Flüchtlingen. Sie macht dennoch den Vorwurf, dass seitens der Verwaltung eine bedarfsorientierte Planung nicht erfolgte.

 

Herr Dr. Badrow weist diesen Vorwurf zurück. Er kann diese Aussage zur jetzigen Zeit verstehen, hält sie dennoch für falsch.

 

Herr Paul stellt den Antrag zur Führung einer Aussprache zur Abstimmung.

 

Abstimmung:                    Mehrheitlich beschlossen

 

2016-04-05-0424

 

Frau Bartel wirft der Verwaltung unterschiedliche Informationen vor und erfragt, warum seit der Schließung der kleinen EMA-Schule eine Kapazitätserweiterung nicht berücksichtigt wurde. Selbst im Februar 2016 wurde das Problem der Beschulung der Flüchtlingskinder nicht als Problem angesehen. Frau Bartel bittet um eine Erklärung, warum die Versäumnisse nicht früher bemerkt wurden.

 

Herr Tuttlies geht darauf ein, dass selbst nach der Schließung der kleinen EMA-Schule andere Schulen von der Schließung bedroht waren, da die Kapazitätsauslastung nicht gegeben war.

 

Frau Steffen interessiert welche Schulen wie viele Flüchtlingskinder für eine Beschulung aufnehmen konnten.

 

Herr Tuttlies berichtet, dass diese Kinder an fast allen Schulen aufgenommen wurden. Da jedoch sprachliche Probleme bestehen, werden Zusatzkurse „Deutsch als Zweitsprache - DaZ“. Der größere Teil der Kinder ist an den Grundschulen zu finden, jedoch auch an einer Regionalschule.

 

Frau Müller erfragt, wie man zu der Auffassung eines Geburtenrückganges ab dem Jahr 2020 kommt.

 

Herr Tuttlies verweist auf aktuell vorliegende Geburtenzahlen – einschließlich des Jahres 2016. Weiter führt Herr Tuttlies das ISEK an, in welchem für Stralsund eine relativ gleichbleibende Zahl mit einer minimalen Verringerung dargestellt wurde.

 

Auf die Ausführung von Herrn Adomeit, dass auch Lehrer fehlen werden, antwortet Herr Tuttlies, dass es hier die Aufgabe der Landesregierung ist, bedarfsgerecht Lehrer zur Verfügung zu stellen.

 

Herr Hofmann bittet, künftig alle konkreten Informationen auch im Ausschuss für Bildung, Hochschule, Kultur und Sport zu erhalten.