Anfrage:
- Welche einem Bestattungswald vergleichbaren Leistungen bietet der städtische Eigenbetrieb Zentralfriedhof an und worin unterscheiden sich diese vom Friedwald-Konzept?
- Welche der historischen Friedhöfe (Alter Frankenfriedhof, Neuer Frankenfriedhof, St. Jürgen-Friedhof) sowie weitere dauerhaft nicht in Anspruch genommenen Grundstücke hält die Verwaltung grundsätzlich für die Einrichtung eines Bestattungswaldes nach dem Friedwald-Konzept für geeignet bzw. welche Voraussetzungen müssten hierfür gegebenenfalls noch erfüllt werden, um dies zu ermöglichen? Bitte detailliert für die einzelnen Grundstücke beantworten.
Es antwortet: Frau Schubert:
Der gegenwärtige Unterschied der
auf dem Zentralfriedhof angebotenen
„Urnenwahlgräber am Baum“ zur urheberrechtlich geschützten
„Friedwaldbestattung“ besteht vor allem darin, dass Angehörige den
Begräbnisplatz individuell gestalten, nutzen und nachbelegen können. Hilfreiche
Trauerrituale, wie sie in einem Gutachten der Friedwald GmbH kürzlich selbst
als bedeutsam ermittelt wurden, sind auf dem Zentralfriedhof sehr gut möglich
und einschließlich Kerzen auch zugelassen. Die meisten Hinterbliebenen haben
bisher, abweichend von ihrem ursprünglichen Vorhaben den Begräbnisplatz nicht
pflegen zu wollen entschieden, ein Grabbeet einschließlich Grabmal
herzurichten. Heute sind fast alle der „Urnenwahlgräber am Baum“ recht intensiv
gestaltet und gepflegt, obwohl eine Pflege in den ausgewählten naturnahen
Waldbereichen gar nicht notwendig wäre. Ein weiterer Unterschied zur
Friedwaldbestattung ist, das keine Bäume vergeben werden, sondern Plätze für
bis zu drei Urnen an Bäumen oder Sträuchern ausgewählt werden und, das eine Infrastruktur
mit Bänken, Wasser, Kompost, Müllplätzen und Parken vorhanden ist. Die gute
Erreichbarkeit der Begräbnisplätze, sogar mit öffentlichem Nahverkehr,
gewährleistet eine Nutzung der Begräbnisplätze zur Trauerbewältigung auch für
Hinterbliebene ohne eigenen PKW.
Grundsätzlich arbeitet der Eigenbetrieb Städtischer Zentralfriedhof bereits 10 Jahre lang intensiv daran, über Optimierung von Kosten und Leistungen gegenüber den reichlich vorhandenen und verschiedenartigen privaten Bestattungsalternativen konkurrenzfähig zu bleiben. Der diesbezügliche Erfolg lässt sich an der langen Stabilität der Gebühren ebenso wie an der Wirtschaftlichkeit der letzten 10 Jahre ablesen. Die Fallzahlen haben sich im gleichen Zeitraum parallel zu den Sterbefällen insofern stabilisiert, das sich mit Ausnahme des stetig wachsenden prozentualen Anteils an Seebestattungen, die übrigen Prozente an Urnenbestattungen auf dem Zentralfriedhof stabil, entsprechend der Sterbefälle, und damit 2015 erneut in einem niedrigeren Bereich bewegen. Baumbestattungen in den privat betriebenen Friedwäldern bzw. den als GmbH firmierenden Ruheforsten liegen in einem zu vernachlässigenden Prozentbereich von unter 5% aller Sterbefälle. Die Tendenz nahm 2015 etwas ab, einhergehend mit der Zunahme der angebotenen Urnenwahlgräber unter Bäumen und Sträuchern auf dem Zentralfriedhof.
In den vergangenen Jahren wurden zudem die parkähnliche Bereiche der Grabfelder D1 bis D4 auf dem Zentralfriedhof gezielt freigezogen, um dem Friedwald noch ähnlichere Grabangebote unter Bäumen in Rasenflächen anbieten zu können. Da der Begriff „Friedwald“ ein markenrechtlich geschützter Begriff ist, kann auf dem Zentralfriedhof in dem Sinn zwar kein „Friedwald“ an sich eingerichtet werden, jedoch verfügt der Zentralfriedhof ähnlich dem bereits in der Nähe vorhandenen Friedwald in Pansewitz, über beste Möglichkeiten für ein vergleichbares Angebot. Und das sogar mit dem Wettbewerbsvorteil, das neben Bäumen und Natur eine komplette Infrastruktur vorhanden ist und diese ohnehin unterhalten wird.
Eine Umsetzung weiterer pflegefreier Grabangebote ist mit dem Inkrafttreten einer neuen Gebührensatzung geplant, wobei ein friedwaldähnliches Bestattungsangebot unter dem Arbeitstitel „Parkfrieden“ bereits geführt wird.
Die Gebührenkalkulation befindet sich entsprechend aktuell in der Überarbeitung.
In der Hansestadt Stralsund fiel in den 1920er Jahren die Entscheidung für die Errichtung des heutigen Zentralfriedhofes, der ab 1944 in Nutzung ging. Folgerichtig wurden die bis dahin ge- und übernutzten Friedhöfe St. Jürgen und Franken Ende der 1960er Jahre für Bestattungen geschlossen.
Während der Zentralfriedhof in den Jahren vor der Wende explosionsartig an seine Grenzen kam, führten die 1990er Jahre durch Einwohnerschwund, massiv sinkende Bestattungszahlen, das veränderte Bestattungsverhalten und die zunehmende Konkurrenz durch privat betriebene Bestattungsalternativen zu einem stetig wachsenden Überhang an Nettograbfläche. Mit dem Bürgerschaftsbeschluss „Leitplan für den Zentralfriedhof“ wurde bereits 2001 festgelegt, die Friedhofserweiterungsfläche nördlich der Prohner Chaussee nicht mehr weiter zu entwickeln. Der Bürgerschaftsbeschluss für die Entwicklung des St. Jürgen-Friedhofes 2006 weist diesen als Grünanlage Historischer Friedhof in seiner Entwicklung aus und damit indirekt den Zentralfriedhof als einzigen kommunalen Bestattungsort der Hansestadt Stralsund.
Der gegenwärtig ausschließlich über Gebühren kostendeckend geführte Zentralfriedhof gerät durch weiter zunehmende Angebote „privater“ Bestattungsmöglichkeiten in wirtschaftliche Gefahr. Bereits jetzt steht die vorhandene, gewidmete und zu unterhaltende Friedhofsfläche nicht mehr in einem gesunden Verhältnis zu den Bestattungszahlen. Die Schaffung weiterer Bestattungsangebote führt direkt zu weiteren Flächenüberhängen auf dem Zentralfriedhof und indirekt dazu, dass eine Kostendeckung über Gebühren zukünftig in Frage stehen wird.
Dazu kommt, dass die privaten Bestattungsalternativen, wie die Friedwald GmbH, Kommunen oder Kirchgemeinden als Träger der Bestattungseinrichtung benötigen und das Geschäftsrisiko damit dort verbleibt, während Gewinne aus der Bewirtschaftung der GmbH zu Gute kommen.
Mit dem Friedwald in Pansewitz auf Rügen, dem Ruheforst in Abtshagen und einem geplanten Ruheforst auf Rügen gibt es bereits hinreichend Bestattungsflächen für klassische Waldbestattungen im Umfeld. Für städtische Alternativen stehen auf dem Zentralfriedhof ausreichend Flächen und Möglichkeiten zur Verfügung.
Neben all den wirtschaftlichen Fragen sollte bei allen Überlegungen, zusätzlich weitere Friedwaldbestattungen zu initiieren, die Erhaltung des vorhandenen kommunalen Zentralfriedhofes zum Gemeinwohl der Einwohner der Stadt bedacht werden. Der Zentralfriedhof ist ein wertvolles Kulturgut, der zum einen unter Denkmalschutz steht und andererseits eine bisher oft unterschätzte Trauer-/Friedhofskultur verkörpert.
Herr Meier fragt u. a. in Kenntnis der wirtschaftlichen
Situation des Friedhofes, ob Möglichkeiten bestehen, die angesprochene
Baumbestattung verstärkt zu bewerben mit dem Ziel einer verbesserten Annahme
des Angebots.
Frau Schubert erläutert nochmals den Unterschied eines
Friedwaldes zu den Angeboten des Friedhofes. Sie ist der Überzeugung, dass es
schwierig sein wird, Personen, die sich bewusst für eine Bestattung in einem
Friedwald entschieden haben, von den Angeboten des Zentralfriedhofes zu
überzeugen.
Herr Meier dankt für die Ausführungen und zieht den Antrag
auf Führen einer Aussprache zurück.