Sitzung: 16.09.2015 Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Gesellschafteraufgaben beendet
Herr Dr. Radloff erklärt mit Hilfe eines Handouts die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für Stralsund und für die Region. Das Handout wird dem Protokoll als Anlage beigefügt.
Herr Dr. Radloff erklärt, wie sich die Zahlen aus den vorliegenden Unterlagen zusammensetzen.
Seit 2012 gab es einen Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ein Faktor für den Anstieg der Arbeitslosenzahlen war die Insolvenz der Werft.
Von der Insolvenz waren nicht nur Werftarbeiter, sondern auch Beschäftigte bei Personaldienstleistern betroffen. Erst in den letzten Monaten hat sich die Lage etwas stabilisiert.
Die unterschiedlich hohen Prozentsätze bei der Arbeitslosigkeit zum Beispiel im Vergleich zu Greifswald liegen in der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur beider Städte. Greifswald gilt als technologieorientierter Standort, Stralsund hingegen als verwaltungsorientiert. In Mecklenburg-Vorpommern ist es generell so, dass in den großen Städten eine höhere Arbeitslosigkeit herrscht, als im Umland.
Ein Grund ist, dass in Städten mehr Menschen Grundsicherung erhalten.
Herr Dr. Radloff geht auf die anstehenden Entlassungen bei Nordic Yards ein. Diese sollen, seiner Kenntnis nach, nach dem 01.10.2015 erfolgen. Es ist geplant bis zu 500 Mitarbeiter vorwiegend in Wismar aber auch in Stralsund zu entlassen.
In der ganzen Region Vorpommern gibt es eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit als im Bundesdurchschnitt.
Die entscheidende Zahl ist die der Unterbeschäftigung. Diese lag für Stralsund im August bei knapp 16.000 Menschen. Dort sind auch Personen eingerechnet, die sich in Maßnahmen, Arbeitsgelegenheiten und anderen Projekten befinden, aber trotzdem arbeitsuchend sind. Herr Dr. Radloff macht deutlich, dass in der Region Vorpommern-Rügen kein Fachkräftemangel im klassischen Sinne herrscht. Es gibt partiell und temporär Engpässe in einigen Branchen. Wichtig wäre es aber, vor allem Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.
Weiter weist Herr Dr. Radloff darauf hin, dass Mecklenburg-Vorpommern die höchste Quote an Schulabgängern ohne Schulabschluss hat. Derzeit liegt sie bei ca. 13%. Auch die Zahl der Ausbildungs- und Studienabbrecher ist hoch. In allen Ausbildungsberufen liegt die Quote bei ca. 25%, im Hotel- und Gaststättengewerbe bei 40%.
Unternehmen klagen häufig über die schlechte schulische Ausbildung, aber auch Unternehmen sind in der Pflicht und haben einen Erziehungsauftrag.
Die Chance der Unternehmen besteht darin, die Jugendlichen auszubilden und sie für Ihr Unternehmen zu prägen.
Ein Problem ist auch die Altersstruktur der Arbeitslosgemeldeten, 40% sind älter als 50 Jahre, 25% - 30% älter als 60 Jahre.
Viele der gut ausgebildeten Menschen verlassen Mecklenburg-Vorpommern und gehen in Gebiete, in denen sie besser bezahlt werden.
Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt stellt sich im Moment so dar, dass jeder Jugendliche sich mindestens eine Lehrstelle aussuchen kann, zumindest, wenn die schulischen Leistungen stimmen. Die Anzahl der Ausbildungsstellen schwankt, weil Unternehmen Ausbildungsplätze an- aber auch wieder abmelden.
Im Bereich Hotel- und Gaststättengewerbe haben Unternehmen Schwierigkeiten Auszubildende zu finden, was sich mit den Arbeitsbedingungen und dem Image der Branche erklären lässt. Nur ca. 40% der Betriebe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe sind tarifgebunden.
Der Agentur für Arbeit gelingt es nicht, Jugendliche aus anderen Regionen Deutschlands, wo die Ausbildungssituation eine Andere ist, nach Stralsund oder in die Region zu holen auch auf Grund der geringen Ausbildungsvergütung.
Auf die Nachfrage von Herrn Sobottka erklärt Herr Dr. Radloff, dass als allererstes die Unternehmen selbst in der Pflicht stehen, wenn sie Auszubildende gewinnen wollen. Er stellt ein Projekt mit dem Namen MobiPro-EU vor, welches Jugendliche vor allem aus Spanien und Griechenland in die Region holt. Hier ist ausdrücklich der Bereich Hotel- und Gaststättengewerbe freigegeben. Im ersten Jahr des Programms kamen 36 Jugendliche, im zweiten 99. Auch für dieses Jahr wurden 30 Plätze freigegeben.
Das Programm wurde dieses Jahr verändert, deutschlandweit wurden 30.000 Stellen bereitgestellt, die finanziert werden. Die Jugendlichen müssen in ihren Heimatländern einen Grunddeutschkurs besuchen. Danach kommen Sie für drei Monate nach Deutschland, um einen Intensiv Deutschkurs und Praktika zu machen. Um eine Berufsschule besuchen zu können, benötigen die Jugendlichen ein Sprachniveau der Stufe B2. Im besten Fall wird dann zum ersten September ein Lehrvertrag abgeschlossen.
Die Vergabe der Plätze erfolgt jetzt im Rahmen einer Ausschreibung, für die sich Träger bewerben können. Die jungen Menschen werden aus Sicht des Bundes nach Dringlichkeit und Bedarf in verschiedene Regionen verteilt.
Auf den Einwand von Herrn Adomeit antwortet Herr Dr. Radloff, dass ca. 50% des ersten Jahrganges wieder zurück in Ihre Heimatländer gegangen sind.
Die ausländischen Jugendlichen erhalten neben ihrer Ausbildungsvergütung einen Zuschuss für die Unterkunft und Heimreise.
Herr Ihlo berichtet über die Ausbildungssituation in seinem Unternehmen. Er sieht die Schuld für die schlechten Noten auch bei der Schule.
Auch die familiäre Situation spielt während der Ausbildung der jungen Menschen eine wesentliche Rolle.
Herr Adomeit möchte wissen, ob die Agentur für Arbeit für die Firma Teufelberger Kosten für die Ausbildung der Mitarbeiter und deren Fahrkosten übernommen hat.
Herr Dr. Radloff verneint dies. Für vier Mitarbeiter wurde ein Eingliederungszuschuss gezahlt, der zurück erstattet werden muss.
Als arbeitslos gilt man dann, wenn man arbeiten darf (Arbeitserlaubnis), wenn man arbeiten kann (nicht krankgeschrieben ist) und wenn man verfügbar ist (nicht Alleinerziehend mit zwei Kindern ohne Kinderbetreuung).
Zu dem Thema Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt sagt Herr Dr. Radloff, dass Syrer oft sehr gut ausgebildet sind. Auch einige Afghanen weisen Hochschulabschlüsse nach. Anders sieht es bei Menschen aus Eritrea aus.
Zusammenfassend sagt er, dass es qualifizierte Flüchtlinge gibt, aber es sich dabei nicht um den überwiegenden Teil handelt.
Herr Schwarz bedankt sich bei Herrn Dr. Radloff für den ausführlichen Vortrag.