Betreff
Bebauungsplan Nr. 70.3 „Wohngebiet am Mühlgraben in Grünhufe“, Aufhebungsbeschluss ; Bebauungsplan Nr.81 "Sondergebiete Solarthermieanlage und Freizeit, Sport, Gastronomie in Grünhufe", Aufstellungsbeschluss und Änderung der Planungsziele zur 20. Änderung des Flächennutzungsplanes
Vorlage
B 0010/2022
Art
Beschlussvorlage Bürgerschaft

Sachverhalt:

Nach der Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages zwischen der Hansestadt Stralsund und der Gemeinde Kramerhof durch das Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern wurde die Gebietsänderung zum 1.Januar 2020 wirksam. Damit gehören die im Vertrag bezeichneten Flächen jetzt zum Stadtgebiet und unterliegen der Planungshoheit der Stadt.

 

Nach § 6 Abs. 1 des Vertrages beabsichtigt die Hansestadt Stralsund, die Infrastruktur der eingemeindeten Flächen sinnvoll und zweckmäßig weiterzuentwickeln und dabei auf die infrastrukturellen Belange der Gemeinde Kramerhof Rücksicht zu nehmen. Wesentliche Entwicklungsziele auf den eingegliederten Flächen waren eine altstadtverträgliche Erweiterung des Strelaparkes, die zeitgemäße Fortentwicklung des Hansedoms und eine Wohnungsbauentwicklung auf dem ursprünglich für die Stadthalle vorgesehenen Areal.

 

Die Flächen stehen im Eigentum der Stralsunder Wohnungsbaugesellschaft mbH (SWG) und werden derzeit teilweise landwirtschaftlich genutzt.

 

Für die geplante Stadthalle liegt der Bebauungsplan Nr. 13 „Stadthalle Stralsund“ der Gemeinde Kramerhof vor. Dieser trat am 29.08.2008 in Kraft. Mit der 1. Änderung wurde der Bebauungsplan Nr. 13 an die Neutrassierung des Mühlgrabens im Rahmen des Maßnahmenprogramms zur Sanierung der Stralsunder Stadtteiche angepasst. Der Änderungsbebauungsplan wurde am 04.12.2012 rechtsverbindlich.

 

Der B-Plan Nr. 13 und die 1. Änderung zum B-Plan wurden gemäß § 5 Nr. 3 des Gebietsänderungsvertrages in das Ortsrecht der Hansestadt Stralsund übernommen. Da das geplante Vorhaben einer Stadthalle keine Aussicht auf Umsetzung hat, wurde das Planungsziel an aktuelle Wohnraumbedarfe angepasst und am 28.05,2020 dazu der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 70.3 „Wohngebiet am Mühlgraben in Grünhufe“ gefasst.

 

Vor dem Hintergrund aktueller Anforderungen an einen klimagerechten Umbau der städtischen Infrastruktur und neuen Entwicklungspotentialen für Wohnbauflächen im Süden der Hansestadt ist das damalige Planungsziel einer eigenständigen Wohnbebauung als räumliche Erweiterung des Siedlungsbereichs kritisch zu hinterfragen. Die Flächen können zumindest für eine längere Übergangszeit genutzt werden, um schnell die stadttechnische Infrastruktur der angrenzenden Wohngebiete klimagerecht umzubauen. Die SWS Energie GmbH beabsichtigt für Knieper die Errichtung einer Solarthermieanlage mit dem Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung zu steigern und damit die Energiewende umzusetzen.

 

Im Ergebnis einer Standortuntersuchung hat sich der Geltungsbereich des früheren B-Plans Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof als der geeignete und umsetzbare Standort erwiesen. Ergänzend können im Südosten Flächen für Freizeit, Sport und Gastronomie als Erweiterung / Ergänzung des Hansedoms berücksichtigt werden.

 

Das Fernwärmenetz Knieper wird derzeit vorwiegend mit Erdgas betrieben. Ergänzend kommen Biomethan und grüner Strom (PtH-Anlage) zum Einsatz. Um den Anteil erneuerbarer Energie im Wärmenetz zu steigern und damit die Dekarbonisierung des FW-Netzes voranzubringen, ist der Bau eines iKWK-Systems geplant (innovative Kraft-Wärme-Kopplung mit Solarthermie) Bei einem iKWK-System wird eine herkömmliche KWK-Anlage, beispielsweise ein BHKW, mit einer innovativen Erneuerbaren-Energien-Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Die SWS hat bei der iKWK Ausschreibung vom 1.12.2021 mit dem höchsten angebotenen Gebot von 11,98ct/kWh bereits einen Zuschlag erhalten und nun 48 Monate Zeit zur Realisierung der Anlage.

 

Mit der geplanten iKWK-Anlage mit Solarthermieeinsatz gelingt eine deutliche Steigerung des EE Wärmeanteils der Fernwärme von bisher 16% auf mind. 26% (zuzüglich der noch in 2021 installierten PtH Anlage). Der Wirkungsgrad der Solarthermie liegt mit ca. 50% deutlich über der der Photovoltaik (ca. 20%), da die benötigte Energieform Wärme direkt zur Verfügung steht.

 

Alternativ wurde von den Stadtwerken für den Standort eine iKWK-Anlage mit Geothermie untersucht. Diese weist gegenüber der Variante mit Solarthermie durch einen höheren Energiebedarf (Pumpen) eine vergleichsweise größere Abhängigkeit von den Primärenergieträgern auf, so dass die Wirtschaftlichkeit in stärkerem Maße möglichen Preisschwankungen unterliegt. Zudem hat die Solarthermieanlage inkl. Speicher eine lange Nutzungsdauer (keine rotierenden, beweglichen Teile) und kann auch nach Ablauf des Förderzeitraums wirtschaftlich genutzt werden.

 

Am Standort besteht mit dem Bebauungsplan Nr. 13 kein Baurecht für die geplante Nutzung. Solarthermieanlagen sind in Bebauungsplangebieten nur in dafür geplanten Sondergebieten zulässig. Um die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, ist die Anpassung des Bebauungsplanes erforderlich. Die Änderung des Baurechts soll angesichts wesentlich geänderter Planungsziele als ersetzende Neuüberplanung (d.h. Aufstellung eines neuen Bebauungsplans) erfolgen.

 

Der Geltungsbereich für den B-Plan Nr. 81 wird im Süden durch den Geltungsbereich der fortgeltenden 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof, im Westen durch die Kreisstraße K 26, im Norden durch die Stadtgrenze und im Osten durch das Grundstück Grünhufer Bogen 18-20 des Hansedoms begrenzt. Das Plangebiet umfasst eine Größe von ca. 13,9 ha. Die Anpassung des Flurstückskatasters erfolgte zum 13.04.2021.

 

Der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Gemeinde Kramerhof, der gemäß § 204 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) für die Hansestadt Stralsund fort gilt, stellt das Plangebiet als Sondergebiet „Multifunktionshalle“ dar. Daher hätte der Bebauungsplan Nr. 70.3 nicht gem. § 8 Abs. 2 BauGB aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden können, so dass seinerzeit bereits die Einleitung der 20. Flächennutzungsplanänderung beschlossen wurde.

 


Beschlussvorschlag:

Die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschließt:

 

1.    Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 70.3 „Wohngebiet am Mühlgraben in Grünhufe“ (Nr. 2020-VII-04-0275 vom 28.05.2020 im Amtsblatt Nr. 6, Jg. 30 am 06.07. 2020 bekanntgemacht) wird aufgehoben.

 

2.    Für eine ca. 13.9 ha große Fläche und entsprechend der Abgrenzung des Geltungsbereiches im Süden durch den Geltungsbereich der fortgeltenden 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof, im Westen durch die Kreisstraße K 26, im Norden durch die Stadtgrenze und im Osten durch das Grundstück Grünhufer Bogen 18-20 des Hansedoms (mit den Flurstücken der Gemarkung Stralsund in Flur 14: 54 ; 55 ; 56 ; 57 ; 58 (teilweise) ; 59 (tw) ; 60 ; 61 ; 62 ; 64 ; 65 ; 66 ; 67 ; 68 ; 69 ; 70 (tw) ; 71 (tw) ; 72 (tw)) wird der Bebauungsplan Nr. 81 „Sondergebiete Solarthermieanlage und Freizeit, Sport, Gastronomie in Grünhufe“ aufgestellt.

 

3.    Die rechtswirksame 4. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Kramerhof, genehmigt mit Bescheid der höheren Verwaltungsbehörde vom 10.07.2008, Az. VIII 230 b - 512.111-57049, der gemäß § 204 Abs. 2 BauGB für die Hansestadt Stralsund als Rechtsnachfolger der Gemeinde Kramerhof für die neu eingegliederten Teilflächen fort gilt, soll für das Plangebiet geändert werden. Der im Flächennutzungsplan bisher als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Multifunktionshalle“ dargestellte Änderungsbereich soll nun überwiegend als Sonderbaufläche mit der Zweckbestimmung „Solarthermieanlage“ bzw. „Freizeit, Sport und Gastronomie“ dargestellt werden.

 

4.    Der Beschluss ist ortsüblich bekannt zu machen.

 


Lösungsvorschlag:

Für die Schaffung von Baurecht für die Solarthermieanlage sowie ergänzende Flächen für Freizeit, Sport und Gastronomie soll gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ein Bebauungsplan mit Umweltbericht aufgestellt werden. Das Plangebiet umfasst eine Größe von rund 13,9 ha. Geplant sind funktionsbezogen einzelne sonstige Sondergebiete gem. § 11 BauNVO.

 

Der Bebauungsplan Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof „Stadthalle Stralsund“ sollte in der Flächenkulisse außerhalb des Geltungsbereiches der 1. Änderung durch die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 70.3 für eine Wohngebietsentwicklung ersetzend überplant werden. Gleichzeitig wurde das Verfahren zur 20. Änderung des Flächennutzungsplanes in eine Wohnbaufläche eingeleitet, um dem Entwicklungsgebot gem. § 8 Abs. 2 BauGB zu entsprechen. Nun soll der Bebauungsplan Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof „Stadthalle Stralsund“ durch die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 81 ersetzt werden.

 

Um die Auswirkungen der Planung auf die Umwelt zu ermitteln, wird eine Umweltprüfung durchgeführt und ein Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag erarbeitet.

 

Da bereits der bestandskräftige Bebauungsplan Nr. 13 der Gemeinde Kramerhof keine landwirtschaftlichen Nutzungen festsetzte, ist das Umwandlungsverbot für Böden mit einer Wertzahl ≥ 50 gemäß Landesentwicklungsplan (LEP) nicht einschlägig.

 

Die Ziele für eine geordnete städtebauliche Entwicklung im Plangebiet sollen in Anpassung an die wachsenden Anforderungen des Klimaschutzes und der Klimafolgenanpassung neu justiert werden. Gleichzeitig und zur Erfüllung der Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) werden zukünftig größere Erzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren Energien erforderlich. Dies bedingt dahingehend eine schrittweise und längerfristige Transformation des Angebotes der Stadtwerke. Mit dem Projekt „Transformation und Ergänzung durch CO2-neutrale Energieerzeugung“ der Stadtwerke Energie GmbH wurden verschieden Ausbauvarianten zur Umsetzung der Klimaziele untersucht.

 

Die aktuelle und zukünftige Stromversorgung Deutschlands wird von hohen Anteilen Wind- und Photovoltaik-Strom geprägt. Da diese vom Wetter abhängig sind, unterliegen sie einer hohen Volatilität. Somit muss besonders in wind- und sonnenarmen Zeiten die Strom- und Wärmeversorgung über andere Quellen sichergestellt werden. Hier bietet die innovative Kraft-Wärme-Kopplung (iKWK) eine vielversprechende Lösung für diese Herausforderung.

Bei einem iKWK-System wird eine herkömmliche KWK-Anlage, beispielsweise ein BHKW, mit einer innovativen Erneuerbaren-Energien-Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Eine Solarthermieanlage stellt eine mögliche erneuerbare Wärmequelle dar. Diese Komponenten speisen die produzierte Wärme dann in dasselbe Wärmenetz ein.

 

Durch die Verschaltung der drei Wärmeerzeuger kann das System flexibel auf Schwankungen im Stromnetz reagieren. Bei geringer Strommenge kann der produzierte KWK-Strom zur Netzstabilisierung eingespeist werden. Bei zu hohen Strommengen kann der elektrische Wärmeerzeuger zugeschaltet werden und den Strom zur Wärmeproduktion nutzen. Somit wird die Stabilität des Stromnetzes gewährleistet und die Abregelung von Wind- oder Photovoltaik-Strom verhindert. Daher trägt das innovative KWK-System nicht nur zur Sektorenkopplung, sondern auch zur Erhöhung der Netzstabilität und zur Energiewende bei.

 

Gefördert werden iKWK-Systeme per Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur. Die Stadtwerke erhielten am 17.12.2021 eine Förderzusage für das Projekt und haben nun 48 Monate für die Realisierung der Anlage Zeit. Insofern ist es erforderlich möglichst zeitnah Baurecht herzustellen

 

Im Ergebnis einer komplexen Kosten- Nutzungsbetrachtung (Gewinnspannen, technischer Dimensionierung der Anlage, Förderkulissen und -bedingungen, Zuschlagsdauer und Budgetfreigabe) wird der Bau eines iKWK Systems mit Solarthermie im Bereich auf den zur Verfügung stehenden Flächen in Grünhufe favorisiert. Die Auslegung der Systeme erfolgt auf Basis der Absatzprognosen (inkl. Bevölkerungsentwicklung, Klimawandeleffekt) für Knieper bzw. Grünhufe. Die technische Dimensionierung der Anlage erfolgt auf Basis einer simulierten Jahresdauerlinie.

Die Bewertung der Systeme hinsichtlich des erzielten Anteils von erneuerbarer Wärme ist ein Baustein zur Erfüllung der Klimaschutzziele der Hansestadt Stralsund. Durch die hohe Priorität der Dekarbonisierung des Wärmenetzes wird als Maßstab zur Bewertung einer Variante der zukünftige Anteil von EE-Wärme im Erzeugungsportfolio angewendet und dieser liegt bei Solarthermieanlagen signifikant höher, als bei den Alternativen - Geothermie - oder - Photovoltaik-.

 

Da mit dem Vorhaben der SWS einer ca. 5 Hektar großen Solarthermieanlage die Energiewende in Stralsund wesentlich vorangebracht werden kann und dieses nur an diesem Standort wirtschaftlich und im erforderlichen Zeitrahmen umsetzbar ist, wird im Ergebnis der Abwägung die hier ursprünglich verfolgte Wohnungsbauentwicklung zu Gunsten der Entwicklung in anderen Lagen zurückgestellt. Um den neuen Planungszielen Rechnung zu tragen, soll der B-Plan mit angepasstem Titel nun unter Nr. 81 geführt werden.

 

Die Einleitung des B-Planverfahrens Nr. 70.2 zielt auf eine angemessene Fortentwicklung des Freizeit- und Wasserparks Hansedom. Um den bisher vom Hansedom und dem benachbarten Zoo geprägten regional bedeutsamen Standort für Erholung und Freizeit weiter zu stärken, soll auch eine ergänzende Neuansiedlung von Einrichtungen für Freizeit, Sport und Gastronomie auf parkplatznahen Arrondierungsflächen im Plangebiet ermöglicht werden.

 

Zur Umsetzung der geplanten Vorhaben soll gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ein Bebauungsplan mit Umweltbericht aufgestellt werden. Geplant sind Sonstige Sondergebiete gem. § 11 BauNVO mit der Zweckbestimmung Solarthermie sowie ergänzend randlich am Hansedom für Freizeit, Sport und Gastronomie.

 

Die Darstellung im rechtswirksamen Flächennutzungsplan soll gemäß der neuen Planungsziele angepasst werden.

 

 


Alternativen:

Das Vorhaben ist an bestimmte Standortvoraussetzungen gebunden.

 

An diesem Standort besteht für die Errichtung einer Solarthermieanlage kein Baurecht nach §§ 34/35 BauGB. Wenn das Vorhaben im geplanten Umfang realisiert werden soll, gibt es zur Aufstellung eines Bebauungsplanes und zur Änderung des Flächennutzungsplanes keine Alternative.