Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anfrage:

 

1.    Gibt es Bemühungen seitens der Stadtverwaltung, die Geschichte der Hansestadt Stralsund von 1933 bis 2020 wissenschaftlich aufzuarbeiten und dieses auch im Museum darzustellen?

 

Die Beantwortung erfolgt schriftlich mit folgendem Inhalt:

 

Die Geschichte der Hansestadt Stralsund zwischen den Jahren 1933 und 2020 ist bislang tatsächlich nicht lückenlos erforscht. Gleichwohl gibt es punktuelle Ansätze und Initiativen von Verbänden, Privatpersonen und der Stadtverwaltung, diese Lücken zu schließen, um in einigen Jahren ein umfassendes sowie differenziertes Bild dieser Zeit zeichnen zu können.

 

Der Zeitraum lässt sich in drei Abschnitte gliedern:

1. 1933-1945

2. 1945-1989

3. 1989-heute

 

1.    Die Geschichte des Nationalsozialismus in der Hansestadt ist bisher nur teilweise beleuchtet worden. So gibt es zum Beispiel eine sehr profunde Untersuchung zur so genannten Arisierung des jüdischen Besitzes in Stralsund. Es existieren wichtige Forschungen zum Thema Euthanasie in dem besagten Zeitraum und auch der Verein „Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund e. V.“ widmet sich immer wieder dieser Epoche. Darüber hinaus gibt es weitere – zumeist ehrenamtliche – Initiativen, welche sich die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus zur Aufgabe gemacht haben.

 

Im STRALSUND MUSEUM startet in wenigen Wochen ein Projekt zur Provenienz-forschung, d.h. zur Ermittlung der Herkunft bestimmter Sammlungsobjekte. Dabei wird jener Museumsbestand in den Blick genommen, bei welchem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt. Dazu zählen auch jene Kulturgüter, die unter dem Zwang der sogenannten „Judenvermögensabgabe“ veräußert worden sind.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, die Verflechtung des Hauses innerhalb der national-sozialistischen Strukturen aufzuzeigen. Diese zu klären, darunter die Rolle und Sammlungstätigkeit des damaligen Direktors, Fritz Adler, ist im größten Interesse des STRALSUND MUSEUM, helfen sie doch, die Geschichte der Institution aufzuarbeiten.

Das STRALSUND MUSEUM kooperiert mit dem Verein „Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund e. V.“ und zeigte 2019/2020 dessen Ausstellung „140 Jahre Leonhardt Tietz in Stralsund“. Im nächsten Jahr wird eine kleine Ausstellung zum Antiquar John Horneburg zu sehen sein. Der langjährige Geschäftspartner des Museums wurde 1938 von den Nationalsozialisten unter dem Zwang der sogenannten „Judenvermögensabgabe“ zum Verramschen seines Geschäftes und seiner Immobilien gezwungen.

Gemeinsam mit dem Verein „Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund e. V.“ ist das STRALSUND MUSEUM Mitveranstalter der Ausstellung „Stolpersteine - Gedenken und Soziale Skulptur“, die 2021 in der Stadtbibliothek Stralsund gastiert.

Die genannten Projekte dienen alle dazu, die Zeit zwischen 1933 und 1945 in den Fokus zu rücken sowie Stralsunds Weg in den Nationalsozialismus Schritt für Schritt aufzuklären.

 

2.            Die Zeit von 1945 bis 1989 ist bisher seit der Wende wissenschaftlich wenig in den Blick genommen worden. Viele Themen harren noch der genaueren Untersuchung, bevor sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Einige – heute ehrenamtliche – Initiativen bemühen sich um eine Dokumentation der Erinnerung. Zu nennen seien hier beispielsweise die Gruppe der Stralsunder 20. Das Stadtarchiv Stralsund und das STRALSUND MUSEUM fungieren in diesem Zusammenhang als Wissensspeicher, damit die Erinnerungen nicht verloren gehen und für Interessenten sowie die wissenschaftliche Forschung zukünftig zur Verfügung stehen.

Die Hansestadt Stralsund beteiligt sich aktuell an dem Forschungsprojekt Stadtwende, das die Vorgeschichte und Wirkung der Rettung ostdeutscher Altstädte untersucht. Damit verknüpft ist die These, dass die in einer Reihe von DDR-Städten schon vor der Wende tätigen Bürgerinitiativen gegen Abriss und für Stadterhaltung wesentliche Impulse gaben für die Entfaltung einer breiten Bürgerbewegungen und damit dazu betrugen, die politisch-gesellschaftliche Wende von 1989 herbeizuführen. Stralsund wird aufgrund seiner Bedeutung umfassend beleuchtet und einer der ausgewählten Orte sein, an dem dieses vom Bund geförderte Projekt in Form einer Ausstellung, voraussichtlich 2022, gezeigt wird.

 

3.            Die Zeit nach 1989 - heute war für viele Stralsunderinnen und Stralsunder von großen Um- und Aufbrüchen geprägt. Die Veränderungen waren zum Teil einschneidend und lebensbestimmend. Dazu gehört auch die Begegnung mit Menschen aus den alten Bundesländern, welche nicht selten Irritationen auf beiden Seiten hervorrief. Das STRALSUND MUSEUM wird sich mittelfristig auch diesen Geschichten, die von Hoffnung, Schmerz und Freude geprägt sind, widmen.

 

Stralsunds fast 800-jährige Stadtgeschichte bietet Forschungsthemen gewissermaßen „ohne Ende“. In den vergangenen Jahren standen frühere Epochen wie die Hanse- und Schwedenzeit im Vordergrund. Die jüngere Zeitgeschichte in den Blick zu nehmen, ist notwendig und Anliegen sowohl von STRALSUND MUSEUM als Stadtarchiv.

 

 

Herr Adomeit hat zunächst keine Nachfrage.